Hielten sich die Ängste der Anleger in den vergangenen Tagen weitgehend in Grenzen, brechen sie am Freitag richtig durch. Vor allem die Furcht vor steigenden Zinsen bescherte dem DAX den höchsten Tagesverlust seit 6 Wochen. Nicht nur von der Fed droht Ungemach. Die Bundesbank warnt eindringlich vor einem Wirtschaftsabschwung.
In den USA stehen die Signale klar auf Zinserhöhungen. Hinzu kommt mit der Präsidentschaftswahl in Frankreich am Sonntag ein weiterer Risikofaktor. Ein Sieg der rechtsextremen Kandidatin Marine Le Pen könne "zu erheblichen Verwerfungen an den Finanzmärkten führen", warnte die Landesbank Helaba.
Auch die Bundesbank warnte. In ihrem Monatsbericht befürchtet sie eine starke Rezession. "Im verschärften Krisenszenario würde das reale Bruttoinlandsprodukt im laufenden Jahr gegenüber dem Jahr 2021 um knapp zwei Prozent zurückgehen", hieß es.
Bei einem vollständigen Einfuhrstopp russischer Energie wäre es kurzfristig kaum möglich, Lieferausfälle aus Russland durch erhöhte Einfuhren aus anderen Förderländern komplett zu ersetzen. Vor allem bei der Gasversorgung würde es zu Engpässen kommen.
Der DAX büßte nach zwei starken Börsentag 2,5 Prozent ein, rutschte wieder unter die 50-Tage-Linie und ging auf Tagestief bei 14.142 Punkten ins Wochenende. Damit waren die zwischenzeitlichen Gewinne auf Wochensicht wieder Makulatur. Vor Ostern hatte der Xetra-DAX bei 14.163 Zählern geschlossen.
Auch in der zweiten Börsenreihe gaben die Aktienkurse nach: Der MDAX der mittelgroßen Werte verlor gut zwei Prozent auf 30.800 Zähler.
Angesichts der hohen Inflation und konjunktureller Risiken kletterte gleichezeitig die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen auf den höchsten Stand seit fast sieben Jahren.
"Die Turbulenzen an den Märkten setzen sich fort, ausgelöst durch weitere Kommentare des Vorsitzenden der US-Notenbank, Jerome Powell", schrieben die Experten der ING-Bank. Die Börsen in New York waren am Vorabend abgerutscht, nachdem Powell von einem großen Zinsschritt gesprochen hatte. Zur Bekämpfung der hohen Inflation erwägt die Fed im Mai eine Erhöhung des Leitzinses um 0,5 Prozentpunkte. Am Freitag zeichnet sich nun für den Dow Jones Industrial ein nochmals etwas schwächerer Start ab.
"Der Markt bereitet sich auf noch aggressivere Zinsschritte vor", hieß es dazu von der Commerzbank. Die Befürchtung konjunktureller Folgen wird damit größer. "Mit jedem Tag anhaltender Unsicherheiten nimmt die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten des Risikoszenarios zu", sieht Chefvolkswirt Carsten Mumm von der Privatbank Donner & Reuschel die Gefahr einer Rezession in der Eurozone und möglicherweise auch in den USA. Neben der Zinsperspektive verwies er auf die Auswirkungen der Ukraine-Krise und die sich verstärkenden Lieferkettenprobleme als weitere Belastungsfaktoren.
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Als von steigenden Zinsen besonders belastet gelten schon länger die technologielastigen Wachstumswerte. Vor diesem Hintergrund waren deutsche Online-Unternehmen wie Delivery Hero, Zalando oder HelloFresh mit bis zu 5,7 Prozent Abschlag am Freitag unter den Verlierern im DAX.
Covestro war im Leitindex nur optisch mit mehr als zehn Prozent das Schlusslicht, die Titel des Kunststoff-Konzerns wurden ex Dividende gehandelt. Gleiches galt für den Autozulieferer Schaeffler im SDAX.
Die zuletzt stützende Berichtssaison brachte dieses Mal durchwachsene Nachrichten: Die ebenfalls dem Tech-Sektor zugerechneten SAP-Aktien gerieten wegen einer enttäuschenden operativen Gewinnmarge mit zwei Prozent unter Druck, auch wenn die Umsatzentwicklung des Softwarekonzerns am Markt als ermutigend bezeichnet wurde. Laut dem Baader-Bank-Experten Knut Woller ist die operative Enttäuschung den Auswirkungen des Kriegs geschuldet.
Im MDAX waren die Papiere von K+S bis zum Xetra-Schluss mit einem Abschlag von über sechs Prozent Schlusslicht. Im SDAX verloren Salzgitter-Aktien 6,4 Prozent. Beide Werte hatten den Börsentag noch im Plus begonnen. Der Stahl-Konzern hatte gestern Abend einmal mehr die Prognose angehoben.
Doch es gab auch bessere Nachrichten: Metro blickt positiver auf das laufende Geschäftsjahr, wie am Vorabend nach Börsenschluss mitgeteilt wurde. Im vergangenen Quartal lieferte neben guten Geschäften mit Hotels und Restaurants auch die hohe Inflation dem Großhandelskonzern Rückenwind. Mit einem Anstieg um 5,1 Prozent wurden die mittlerweile im SDAX gelisteten Aktien zur klar positiven Ausnahme in dem von Inflationssorgen geprägten Umfeld.
Größere Ausschläge gab es im Index der Kleinwerte im Verlauf bei den Titeln der Adler Group. Nach einem frühen Kurssprung um fast 20 Prozent relativierte sich das Plus auf zuletzt noch ein Prozent. Das Ergebnis einer Sonderuntersuchung durch die KPMG-Wirtschaftsprüfer sorgte bei den Anlegern für Erleichterung, das Immobilien-Unternehmen sieht sich von Vorwürfen des systematischen Betrugs entlastet. Nahe dem Jahreshoch bei 14 Euro nahmen die Anleger jedoch schnell wieder Gewinne mit.
Die einzige positive DAX-Ausnahme waren die Papiere von HeidelbergCement, die um 1,5 Prozent zulegten. Die Titel des Baustoffkonzerns wurden angetrieben von einem optimistischen Ausblick des Konkurrenten Holcim, der mit weiter schwungvollen Geschäften rechnet. Eine von der Societe Generale gestrichene Kaufempfehlung wurde so nicht zur Belastung.
(Mit Material von dpa-AFX)