Die Gewinnmitnahmen am deutschen Aktienmarkt haben sich am Donnerstag etwas verschärft. Am Tag vor dem großen Verfall an den Terminbörsen zollte der DAX seiner jüngsten Rekordrally weiter Tribut und fiel um 1,24 Prozent auf 22.999 Punkte. Zeitweise hatte der Leitindex auf seiner Talfahrt sogar bis zu zwei Prozent eingebüßt. Der MDAX gab um 1,83 Prozent auf 29.102 Punkte nach.
Von den Zinssignalen der Fed am Vortag, die auf zwei kleine Zinsschritte in diesem Jahr hindeuten, konnte der deutsche Aktienmarkt nicht profitieren. Laut Marktbeobachter Christian Henke vom Broker IG wird der Fokus wieder vermehrt auf die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump gerichtet – und die damit verbundene Gefahr, dass die Fed doch nur eine Zinssenkung vornimmt oder sogar ganz darauf verzichten könnte.
„Die Börse war in den vergangenen Tagen zu sehr mit der deutschen Billionen-Euro-Frage beschäftigt, dass sie die Strafzölle ganz vergessen hatte“, kommentierte Jochen Stanzl von CMC Markets mit Blick auf das milliardenschwere Finanzpaket, dem der Bundesrat am Freitag zustimmen soll. Nun habe die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, die Anleger auf den harten Boden der Realität eines sich ausweitenden Handelskrieges mit den USA zurückgeholt.
Lagarde hatte vor einem Ausschuss des Europäischen Parlaments wegen der US-Zollpolitik keine klaren Signale für das weitere Vorgehen der EZB gegeben. „Gerade der von Lagarde befürchtete Sprung in der Inflation von einem halben Prozentpunkt ist bitter“, ergänzte Stanzl.
Gewinnmitnahmen bei Top-Performern
Zu den größten Verlierern im DAX zählte Rheinmetall, die Anleger machten im Rüstungssektor weiter Kasse. Mit Heidelberg Materials gab ein weiterer Profiteur des geplanten Finanzpakets nach. Außerdem realisierten die Anleger bei den Banken Kursgewinne. Deutsche Bank und Commerzbank verloren bis zu 3,3 Prozent. Diese vier Aktien sind in diesem Jahr bislang die stärksten DAX-Werte.
Im deutschen Leitindex verblieben nur wenige Aktien mit positivem Vorzeichen. Ein Plus von 0,7 Prozent gab es bei SAP, nachdem JPMorgan der Aktie des Softwarekonzerns den Status „Positive Catalyst Watch“ verlieh und damit positive Kurstreiber in Aussicht stellte. Analyst Toby Ogg erwähnte dabei die Chancen im Bereich der Künstlichen Intelligenz und eine Kurskorrektur, die im Februar eingesetzt hatte. Diese bringe eine attraktive Kaufgelegenheit mit sich.
Zahlensaison läuft
Mehrere deutsche Unternehmen legten Zahlen vor. Bei RWE war das Gesamtbild mit guten Jahreszahlen, aber einem laut Händlern „gedämpften Ausblick“ durchwachsen – vor allem das Gewinnziel enttäuschte. Dies reichte nicht, um den Kurs des Energiekonzerns nach gutem Lauf weiter zu stützen. Für die Aktien ging es um drei Prozent nach unten.
Im MDAX stand RTL mit 3,4 Prozent im Minus. Bernstein-Analystin Annick Maas attestierte dem Medienkonzern zwar ermutigende Umsätze im Streaming-Geschäft, aber auch ein weiteres schwaches Jahr der Produktionssparte Fremantle. Nach einem Kurshoch seit mehr als einem Jahr wurden bei der Aktie wohl auch Gewinne realisiert.
Lanxess musste einen Abschlag von fünf Prozent hinnehmen. Damit beschleunigte sich der jüngste Abwärtstrend bei dem Spezialchemiekonzern nach einer Rally, die schon Anfang März zu Ende gegangen war. Am Markt wurde das Minus mit einem enttäuschenden Ausblick begründet. Chetan Udeshi von JPMorgan vermisste im ersten Quartal die Aussicht auf ein saisonal übliches Anspringen der Geschäfte.
Schlusslicht im SDAX war SGL Carbon mit einem Kurseinbruch von rund zwölf Prozent. Dafür verantwortlich gemacht wurde eine maue Prognose mit einem Umsatz- und Ergebnisrückgang.
Gewinnmitnahmen bei Deutz
Die Gewinnmitnahmen im Rüstungsbereich machten sich auch bei Deutz mit einem Minus von 8,9 Prozent bemerkbar. Bei dem Motorenbauer hatte sich zuletzt ebenfalls Fantasie mit Blick auf das Finanzpaket entwickelt, die nun schwindet. Daran änderte auch die Aussage nichts, dass das bislang nur kleine Geschäft in diesem Bereich deutlich ausgeweitet werden soll.
Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Vorstand und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Commerzbank, RTL Group.
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Enthält Material von dpa-AFX