Zwischen Januar und April hat Tesla die Preise für das Model 3 und das Model Y sechs Mal gesenkt, um die Verbraucher mit niedrigeren Preisen zum Umstieg auf die Marke zu bewegen. Elon Musk will dadurch die Nachfrage nach seinen Elektroautos hochhalten, um langfristig das Geschäft mit Full-Self-Drive (FSD)-Funktionen anzukurbeln. Elon musk hat in der Vergangenheit viel versprochen, was autonomes Fahren angeht - und musste immer wieder zurückrudern. DER AKTIONÄR sprach mit Zukunftsforscher und Buchautor Mario Herger über die aktuelle Situation von Tesla.
DER AKTIONÄR: Herr Herger, lange Zeit war Tesla das Maß aller Dinge, der Trendsetter in punkto autonomes Fahren. In den letzten Monaten hat Musk mit seinem Team noch immer keinen Durchbruch erreicht – allen voran nicht mit seiner Strategie, nur auf Kameras zu setzen, während andere Hersteller zusätzlich unter anderem auf Lidar. Was läuft schief?
MARIO HERGER: Tesla war eigentlich nie das Maß aller Dinge zum Thema autonomes Fahren. Das war es nur in den Medien und der Öffentlichkeit, die das Thema nur oberflächlich kannten. Denn führend war und sind immer noch andere Firmen, wie Waymo oder Cruise. Teslas Ansatz ist ein völliger anderer und ist nur deshalb im öffentlichen Bewusstsein, weil eben deren Autos auch in Deutschland fahren.
DER AKTIONÄR: Worin liegt der Unterschied zwischen Tesla und Waymo oder Cruise?
Herger: Neben der Auswahl der Sensoren, bei denen sich Tesla auf Kameras beschränkt und Waymo, Cruise und Co auch noch Lidars und Radar verwenden, ist auch die geographische Breite ein Faktor, bei denen sich diese Unternehmen unterscheiden. Während Waymo, Cruise und die meisten anderen Hersteller ihre Technologie in geographisch eng begrenzten Gebieten testen und entwickeln und diese sukzessive ausdehnen, zieht Tesla das gesamte Gebiet heran, auf denen sich Tesla bereits heute bewegen. Die Amerikaner würden zu diesem Ansatz sagen „boiling the ocean“, also gleich das Wasser des gesamten Ozeans zum Kochen zu bringen, anstelle nur mit dem Wasser in einem Topf zu beginnen. Und dieser Ansatz ist viel schwieriger, wie man sich leicht vorstellen kann.
DER AKTIONÄR: Dennoch kommen die angeblichen Fortschritte in der Öffentlichkeit nicht an oder werden als gering und langsam angesehen…
HERGER: Als ehemaliger Softwareentwickler kann ich dazu nur sagen „Hut ab!“, denn ich sehe die Fortschritte von Testas Full Self Driving Beta, die ich seit knapp einem Jahr auf meinem eigenen Tesla Model 3 im Einsatz habe. Die FSD Beta, die man übrigens nicht mit Teslas Autopilot verwechseln darf, behandelt immer komplexere Verkehrsszenarien immer souveräner. Die morgendliche knapp vier Kilometer lange Fahrt zu meinem Stammcafé durch Schul- und Pendlerverkehr wickelt sie mittlerweile völlig problemlos ab. Und das nur mit Kameras.
DER AKTIONÄR: Wie sehen Sie Tesla im Vergleich zu Waymo und Cruise aus technologischer Sicht?
HERGER: Ich habe dazu auch den Vergleich mit einem anderen Hersteller, nämlich mit Cruise, mit deren fahrerlosen Robotaxis ich in San Francisco bereits mehr als 120-mal gefahren bin. Diese verwenden Kameras, Lidars, Radar- und Ultraschallsensoren und sind sicherlich souveräner in dieser geographischen Zone unterwegs, doch auch Teslas FSD Beta ist erstaunlich fortgeschritten, auch wenn ich sicherlich noch aufmerksam bleiben muss. Bei Cruise selbst kann man gar nicht mehr beim Fahren eingreifen, als Passagier muss man auf der Rückbank Platz nehmen und kann dank einer Plexiglastrennwand zwischen Vorder- und Rücksitzen gar nicht an das Lenkrad ran.
DER AKTIONÄR: Was erwarten Sie in den nächsten Monaten von Tesla?
MARIO HERGER: Während man gerade in der deutschen Öffentlichkeit gerne süffisant über Tesla redet, sich damit aber nur selbst einlullt und Mut zu machen versucht, verschlafen wir schon wieder das nächste revolutionäre Produkt von Tesla. Denn Mobilität in Form eines Autos, dass autonom fahren kann ist eine Sache, aber einen zweibeinigen Roboter, der auch in Fabriken und Gebäuden sich autonom bewegt, haben wir noch nicht mal verstanden. Die Tesla Bots, die Tesla so aus dem Nichts geschaffen hat und gleich mal die FSD Beta – ja, genau die von den Autos – drauf eingespielt hat und angepasst, stellt eine neue Mobilitätsform dar. Anstatt einen zwei Tonnen schweren Roboter auf vier Rädern zum Supermarkt oder Restaurant für unsere Einkäufe zu schicken, senden wir nun eine etwa 60 Kilogramm schweren Roboter hin. Das ist nicht nur umweltfreundlicher, er befreit uns auch von lästigen Haushalts- und monotonen und gefährlichen Fabrikarbeiten.
Die Aktien von Tesla kletterten zuletzt aufgrund des China-Trips von Elon Musk weiter nach oben. Im Vordergrund steht der weitere Ausbau des wichtigsten Tesla-Produktionswerks in Shanghai. Was das Thema autonomes Fahren angeht, so muss Tesla liefern, damit die langfristige Wette vieler Investoren auch aufgeht.
Charttechnisch besticht die Aktie zuletzt durch Relative Stärke. Das Papier hat vor kurzem die wichtige 200-Tage-Linie bei 199,79 Dollar geknackt und ein neues Kaufsignal geliefert. Der nächster Widerstand wartet jetzt bei 218,55 Dollar.