Ein Satz wie ein Peitschenhieb: Aktienbasierte Altersvorsorge sei ein „noch schnellerer Weg in die Altersarmut.“ Damit offenbart Nicole Gohlke ihre ablehnende Haltung gegenüber der Aktie als Bestandteil der Altersvorsorge.
Gohlke ist Mitglied der Partei Die Linke. Sie sitzt im Deutschen Bundestag. Mit ihrer Einstellung ist sie nicht allein. Kurze Zeit später springt ihr Bernd Riexinger bei. Gleiche Partei, gleicher Abgeordnetenstatus. Zufall? Gar ein Versehen? Oder steckt hinter diesen Einlassungen auf der Social-Media-Plattform Twitter einfach nur der perfide Wunsch, Bürgerinnen und Bürger dieses Landes finanziell kleinzuhalten? Schließlich gilt: Nicht der Aktienmarkt hat heutige Rentner in die Altersarmut geführt, sondern die Ausgestaltung der gesetzlichen Rente, für die Riexinger und Gohlke plädieren.
Jetzt mögen Sie vielleicht einwerfen: „Ja, was soll der Chefredakteur eines Magazins wie der aktionär auch sonst schon entgegnen, als zu behaupten, die Aktie sei toll?“ Lassen wir also die Empirie sprechen.
Die Deutsche Rentenversicherung behält 18,6 Prozent des Bruttolohns eines Arbeitnehmers ein. Arbeitgeber und Arbeitnehmer tragen davon jeweils die Hälfte, also 9,3 Prozent. Insgesamt fließen bei einem durchschnittlichen Gehalt (40.551 Euro brutto laut Dt. Rentenversicherung) somit 628,54 Euro in die gesetzliche Rentenversicherung. Über 40 Beitragsjahre summieren sich die Einzahlungen somit auf 301.700 Euro. Der Rentner erhält (in westdeutschen Bundesländern) eine Rente in Höhe von 1.367,60 Euro pro Monat. Was würde nun passieren, würde man das System durch eine zu 100 Prozent aktienbasierte Altersvorsorge ablösen? Was zuvor in die Rentenversicherung eingezahlt wurde, würde stattdessen in den deutschen Aktienmarkt investiert. Beginn mit 25, Schluss mit 65. In diesem Szenario stünden dem Sparer nach 40 Jahren 2.038.599 Euro zur Verfügung – was beinahe dem 7-Fachen des eingezahlten Betrags entspricht. Unterstellt wird dabei eine durchschnittliche jährliche Rendite von 8 Prozent, was dem Schnitt der vergangenen 50 (!) Jahre bei einer DAX-Anlage entspricht.
Richtig spannend wird es aber erst jetzt: Stoppt man die Einzahlungen zum Zeitpunkt des Renteneintritts und belässt das angesparte Kapital im Markt, stehen einem über einen Zeitraum von 40 (!) Jahren – man wäre am Ende dieser Frist 105 Jahre alt – monatlich 13.655 Euro zur Verfügung. Fast auf den Euro genau zehnmal so viel wie bei der gesetzlichen Rente.
Nachdem Sie weder die Fragen anderer noch meine hierzu auf Twitter beantwortet haben, liebe Frau Gohlke, lieber Herr Riexinger, wiederhole ich sie hier: Wie kommen Sie zu der Behauptung, die aktienbasierte Altersvorsorge führe „noch schneller in die Altersarmut“? Sie ist schlicht falsch, empirisch nicht zu belegen und eine dreiste Verdrehung der Tatsachen. Gleichzeitig behaupten Sie oft und gern, die Reichen würden immer reicher werden und müssten stärker besteuert werden. Haben Sie sich mal angeschaut, wie die Reichen reicher werden? Oftmals profitieren sie von der Entwicklung des Aktienmarktes. Wenn es doch aber diese Gewinne laut ihrer Darstellung gar nicht gibt, weshalb wollen Sie diese dann stärker besteuern?
Dieses Editorial ist in DER AKTIONÄR Nr. 21/2021 erschienen, welches Sie hier als PDF gesamt herunterladen können.
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