Das Jahr 2024 begann für Boeing katastrophal: Ein Rumpfstück fliegt weg, eine Cockpit-Scheibe springt, eine Cargo-Maschine fängt Feuer und ein Bugrad löst sich auf dem Rollfeld. Nun zieht die US-Luftfahrtbehörde FAA die Notbremse und verbietet das Hochfahren der Produktion des für Boeing wichtigen Typs 737Max. Konkurrent Airbus profitiert.
Die nach einem ernsten Zwischenfall vorübergehend stillgelegten Flugzeuge des Typs Boeing 737-9 Max dürfen bald wieder in die Luft steigen. Die US-Luftfahrtbehörde FAA hat am Mittwochabend das Verfahren für die von ihr angeordneten Inspektionen der Maschinen genehmigt. Eine solche Prüfung dauert mehr als zehn Stunden pro Flugzeug. Alaska Airlines, bei der während eines Flugs ein Rumpfteil herausgebrochen war (DER AKTIONÄR berichtetete), will nun am Freitag erste kontrollierte Maschinen wieder in den Flugplan aufnehmen, United Airlines peilt den Sonntag an.
Die FAA wies Boeing speziell an, Befestigungselemente zu prüfen und bei Bedarf festzuziehen. Alaska und United hatten auch bei weiteren Maschinen des Typs an dieser Stelle lose Befestigungsteile und falsch gesicherte Bolzen entdeckt.
Boeing darf 737-Produktion nicht hochfahren
Der Zwischenfall hat nun größere Konsequenzen für Boeing. Die FAA kündigte an, dass sie vorerst keinen weiteren Ausbau der Produktion von Boeings meistverkauften Schmalrumpf-Flugzeugen einschließlich der 737-Max-9 genehmigen werde. Boeings Probleme in der Qualitätskontrolle seien "inakzeptabel", betonte Behördenchef Mike Whitaker. Nun will die FAA die Produktion der 737 Max gründlich unter die Lupe nehmen.
Für Boeing ist der Ausbau-Stopp ein Problem: Der US-Flugzeugbauer arbeitet die vielen 737-Max-Bestellungen nur langsam ab und fällt hinter den europäischen Rivalen Airbus zurück. Aktuell baut Boeing pro Monat rund 30 Flugzeuge der Max-Familie. Zum kommenden Jahr sollte der monatliche Ausstoß auf 50 Maschinen erhöht werden.
Neues Verbot drückt Boeing-Aktie
Das Verbot der Ausweitung der Produktion für Boeings meistverkauften Flugzeug-Typ durch die FAA ist für den Konzern ein herber Schlag. Denn der Flugzeugbauer kann die vielen 737-Max-Bestellungen nur langsam abarbeiten und fällt dadurch noch weiter hinter den großen Rivalen Airbus zurück.
Aktuell baut Boeing pro Monat rund 30 Flugzeuge der Max-Familie. Zum kommenden Jahr sollte der monatliche Ausstoß eigentlich auf 50 Maschinen erhöht werden. Airbus will seine Produktion der A320neo-Familie auf 75 Stück pro Monat erhöhen.
Nach der FAA-Entscheidung rutschte die Boeing-Aktie am Mittwoch im nachbörslichen US-Handel zeitweise um gut vier Prozent ab. Zum Handelsschluss stand der Dow-Jones-Wert unterhalb des GD200 noch leicht im Plus bei 214,13 Dollar (siehe Chart). In Deutschland wird die Boeing-Aktie am Donnerstag-Vormittag mit einem Kursabschlag von etwa drei Prozent bei 191 Euro gehandelt.
Das beim Steigflug einer Boeing 737Max-9-Maschine von Alaska Airlines herausgebrochene Rumpfteil war Anfang Januar der Auftakt zu einer ganzen Serie von Pannen und Unglücken. Am 13. Januar 2024 riss eine Cockpit-Scheibe, am 19. Januar geriet eine Boeing-Cargo-Maschine vom Typ 747 beim Landeanflug in Brand und am 20. Januar verlor eine Boeing 757 vor dem Start auf dem Rollfeld in Atlanta eines ihrer beiden Fronträder. Der Pilot eines anderen Flugzeugs habe das Rad wegrollen sehen und über Funk darauf aufmerksam gemacht, berichtete unter anderem Sky News. Bei allen Vorfällen kamen glücklicherweise keine Menschen zu Schaden.
Die Serie von Unfällen und Katastrophen mit der Boeing 737 begann schon vor Jahrzehnten. Wikipedia hat sogar eine eigene Seite dazu: Liste von Zwischenfällen mit der Boeing 737. Sie endet derzeit am 5.Januar 2024...
Social Media verspottet Boeing
In den sozialen Medien wird Boeing derzeit mit Spott und Hohn überschüttet. Die ernsten, sicherheitsrelevanten Vorfälle sorgen für diverse Tweets, die das Ausmaß des Vertrauensverlusts in den einst führenden Flugzeugbauer der Welt zeigen. Nachfolgend ein Tweet von Jesse Cohen von Investing.com, der nur die Vorfälle im Januar 2024 auflistet. Das Bild darin ist KI-generiert.
January 2024 has been a ROUGH month for BOEING:
— Jesse Cohen (@JesseCohenInv) January 25, 2024
*January 5: Boeing 737 has a panel rip off midair
*January 13: Boeing 737 cockpit window cracks
*January 19: Boeing 747 cargo plane burns up
*January 20: Boeing plane in Atlanta lost a wheel
*January 25: Boeing to pause… pic.twitter.com/HBp27dwmUk
Die neue Serie von Pannen deckt gravierende Mängel bei der Produktion und Qualitätskontrolle von Boeing-Flugzeugen auf. Der Luft- und Raumfahrt-Konzern verliert an Vertrauen und Renommee. DER AKTIONÄR rät daher derzeit von der Boeing-Aktie ab. Bis die Qualitätsprobleme behoben sind, könnte der Dow-Jones-Wert noch weiter abrutschen. Selbst das 2023er-Jahrestief unter 160 Dollar könnte wieder in Reichweite geraten.
Besser sieht es beim europäischen Konkurrenten aus. Die Airbus-Aktie erreichte kürzlich oberhalb der 150-Euro-Marke neue Rekordhöhen. Nach dem steilen Anstieg der vergangenen Monate könnte es jedoch auch bei Airbus zu einer Konsolidierung kommen. Wer Airbus im Depot hält, bleibt dabei. DER AKTIONÄR hat ein Kursziel von 180 Euro ausgegeben.
(Mit Material von dpa-AFX)
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