China gibt bekannt, dass große Internet-Konzerne künftig stärker reguliert werden sollen – und die Kurse von Alibaba und Tencent fallen. Ist das der Anfang vom Ende, weil die Kommunistische Partei zum Big-Tech-Killer im eigenen Land wird? DER AKTIONÄR mit einem Überblick und einer Einschätzung zur Lage.
Die Branchen-Rotation nach den Impfstoff-Neuigkeiten und das angekündigte Regulierungsvorhaben haben die Kurse purzeln lassen. Sowohl bei Tencent als auch Alibaba liegen Anleger auf Jahressicht aber immer noch deutlich im Plus. Doch wie sieht die Lage langfristig aus: Ist es womöglich ein Gamechanger, wenn nach den USA nun auch China selbst seine eigenen Tech-Giganten ins Visier nimmt?
Nur ein erster Entwurf
Ein chinesischer Anwalt nannte das Timing, mit dem die neuen Richtlinien veröffentlicht wurden (pünktlich zum Großereignis Single’s Day!), gegenüber Bloomberg „erschreckend“. Fakt ist jedoch, dass der vorliegende Regulierungsentwurf eher vage formuliert ist. Das letzte Wort ist in der Angelegenheit längst noch nicht gesprochen. Normalerweise folgen mehrere Überarbeitungsstufen.
Grundsätzlich gibt es bereits seit Jahren immer wieder Konflikte rund um Monopolfragen, beispielsweise zwischen JD.com und Alibaba. Dabei geht es unter anderem um den Punkt, dass Alibaba die Anbieter auf seinen Plattformen zu Exklusivverträgen drängt. Selbst bei großen Banken sollen Alibaba und Tencent bereits auf Exklusivität bestanden haben. Falls diesem Bestreben ein Riegel vorgeschoben wird, könnte das auf den Gewinn der Konzerne drücken.
Sollten letztendlich die Eigenkapitalanforderungen bei der Ant Group steigen und die Bewertung des Fintech-Riesens dadurch sinken, dürfte das für Alibaba gut verkraftbar sein. Schließlich ist Alibaba nur zu einem Drittel direkt an Ant Group beteiligt und hat auch noch andere Geschäfte.
Das Verhältnis zwischen Staat und Big Tech
Der chinesische Staat hat Kennern zufolge ein gespaltenes Verhältnis zu seinen Tech-Größen. In China muss sich auch individueller wirtschaftlicher Erfolg letztendlich dem Wohl des Landes unterordnen. Und das letzte Wort hat die Partei. Der Erfolg von Alibaba und Tencent ist eine potenzielle Bedrohung dieser Vormachtstellung. Andererseits dürfte der Regierung um Xi Jinping klar sein, dass Chinas wirtschaftlicher Erfolg auch mit dem Prosperieren der Tech-Konzerne im Land zusammenhängt.
In der Coronakrise war Alibaba darauf bedacht, seine Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen hervorzuheben (wohl schon allein aus Eigeninteresse, schließlich lebt Alibaba von Provisionen auf seinen Plattformen). Die Tencent-Führung hat mit Veröffentlichung der Quartalszahlen gestern angekündigt, mit Peking zusammenzuarbeiten (was auch sonst).
Es kommt nicht völlig überraschend, dass das Thema Big-Tech-Regulierung nun auch in China auf der Agenda steht. Wie sich das letztendlich auf Wachstum und Gewinn von Alibaba und Tencent auswirken wird, lässt sich aber frühestens abschätzen, wenn wirklich konkrete Regeln vorliegen. Eine Zerschlagung von Alibaba und Tencent ist jedenfalls äußerst unwahrscheinlich – und wird vom Markt bislang nicht eingepreist. Sowohl Alibaba als auch Tencent bleiben AKTIONÄR-Empfehlungen.
Der Autor hält unmittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren: Alibaba.