Im Rahmen einer Kleinen Anfrage hat die FDP-Fraktion im Bundestag Anfang Juli um eine Stellungnahme der Bundesregierung zu den Bilanz-Vorwürfen gegen Wirecard und das von der BaFin verhängte Leerverkaufsverbot gebeten (DER AKTIONÄR berichtete). Inzwischen liegen die Antworten der Bundesregierung vor – und sie erhärten einen schlimmen Verdacht.
Bei den Leerverkäufern, die im Zuge der negativen Berichterstattung durch die Financial Times im Frühjahr 2019 von fallenden Kursen der Wirecard-Aktie profitiert haben, handelt es sich nach bisherigen Erkenntnissen um alte Bekannte. „Die Melder, die Netto-Leerverkaufspositionen in der Wirecard AG halten, sind insofern bekannt, als dass sie überwiegend auch schon in der Vergangenheit Netto-Leerverkaufspositionen in der Wirecard AG hielten, die sie mitgeteilt und ggf. veröffentlicht hatten“, heißt es in der Stellungnahme der Bundesregierung.
Hinweise darauf, dass die Leerverkäufer ihre Positionen gestückelt haben, um unter der gesetzlichen Meldeschwelle zu bleiben, lägen jedoch nicht vor. Ob die Autoren der fraglichen FT-Artikel in Kontakt mit den Shortsellern standen, wollte die Bundesregierung unter Verweis auf „laufende Verfahren“ nicht kommentieren.
Short-Verbot gerechtfertigt?
Den FT-Berichten über angebliche Bilanz-Tricks bei der Wirecard-Niederlassung in Singapur folgte ein heftiger Kursrutsch der Aktie sowie ein Anstieg der Leerverkaufspositionen. Das ließ schnell den Verdacht einer gezielten Shortattacke gegen das Unternehmen aufkommen – zumal Wirecard in der Vergangenheit wiederholt Opfer derartiger Angriffe wurde.
Die BaFin hatte daraufhin zeitweise den Auf- und Ausbau von Leerverkaufspositionen verboten und zur Begründung unter anderem auf eine Bedrohung für die Finanzstabilität oder das Marktvertrauen in Deutschland verwiesen. Die Verhältnismäßigkeit der ungewöhnlichen Maßnahme war umstritten. Die Bundesregierung stärkte der BaFin nun aber den Rücken: Die Aufsichtsbehörde habe „innerhalb des ihr zugewiesenen Aufgabenbereichs gehandelt und ist ihren zugewiesenen Aufgaben nachgekommen.“
In den Tagen nach dem ersten Pressebericht vom 30. Januar sei ein deutlicher Anstieg der Netto-Leerverkaufspositionen zu beobachten gewesen. Zudem habe die BaFin am 15. Februar 2019 konkrete Informationen der Staatsanwaltschaft München erhalten, wonach eine weitere Short-Attacke geplant sein könnte.
„Insgesamt bestand das Risiko, dass das Eingehen und die Erweiterung von Netto-Leerverkaufspositionen im geschilderten Marktumfeld exzessive Kursbewegungen der Wirecard Aktie hätte verursachen können. Diese hätten durch ihre trendverstärkende Wirkung den Verlust des Marktvertrauens in Deutschland, insbesondere hinsichtlich der Preisbildung an den Märkten, bewirken können“, heißt es dazu in der Bundestagsdrucksache.
Speziell bei Shortsellern kam das Leerverkaufsverbot verständlicherweise nicht besonders gut. Der berüchtigte britische Hedgefonds-Manager Crispin Odey etwa drohte mit Klagen gegen die Maßnahme. Bislang lägen bei der Bundesregierung und der BaFin aber keine Informationen zu Schadensersatzklagen vor.
Die Ermittlungen laufen
Die Frage nach dem Stand der Untersuchung zur möglichen Kursmanipulation von Wirecard-Aktien beantwortet die Bundesregierung so: „Die BaFin hat am 10. April 2019 bei der Staatsanwaltschaft München Anzeige wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Verbot der Marktmanipulation in Form einer Short-Attacke erstattet.“ Zudem würden Verstöße gegen das Insiderhandelsverbot untersucht. Die Ermittlungen dauern noch an. Neben der BaFin haben zwischenzeitlich auch ein Anleger sowie Wirecard selbst Anzeige gegen die Financial Times erstattet.
Die Aufklärung der unmittelbar gegen Mitarbeiter der Wirecard-Gruppe in Südostasien gerichteten Vorwürfe falle indes zunächst in die Zuständigkeit der Behörden in Singapur. Die Bundesregierung bestätigte, dass die BaFin wegen der Angelegenheit im Kontakt mit ausländischen Aufsichtsbehörden stehe, wollte aufgrund der laufenden Untersuchungen aber keine weiteren Angaben dazu machen. Die Ermittlungen der Polizei in Singapur gegen Wirecard dauern laut Medienberichten ebenfalls noch an.
Auch wenn die juristische Aufklärung des Bilanz-Krimis womöglich noch Jahre dauern könnte: Die Wirecard-Aktie hat einen großen Teil der zwischenzeitlichen Verluste wieder aufgeholt. In den letzten Wochen ist die Erholung allerdings ins Stocken geraten. Trotz der Konsolidierung bleibt DER AKTIONÄR bei seiner Kaufempfehlung und setzt im Aktien-Musterdepot selbst auf den DAX-Titel.