Hätte Wirecard gerettet werden können? Einem Bericht zufolge prüfte das Bundesfinanzministerium von Olaf Scholz (SPD) die Option, den DAX-Konzern aus Aschheim bei München, der heute für den größten Betrug der deutschen Wirtschaftsgeschichte steht, mit Steuermitteln sowie einem Kredit zu retten. Der Vorgang wirft zahllose Fragen auf, die bisher unbeantwortet geblieben sind.
Das gibt dem Skandal um Wirecard einen neuen Twist: Das Bundesfinanzministerium unter Olaf Scholz (SPD) hat offenbar unmittelbar nach der Pleite von Wirecard Möglichkeiten geprüft, den Konzern zu retten. Das berichtet Business Insider unter Verweis auf einen Sprecher des Ministeriums.
Wirecard musste Ende Juni des Jahres 2020 als erstes DAX-Unternehmen der Geschichte die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragen. Zuvor gestand das Unternehmen ein, dass bilanzierte Vermögenswerte in Höhe von 1,9 Milliarden Euro gefälscht seien. Ernst & Young hatte das Testat unter den Jahresabschluss verweigert.
Kreative Verwendung von Steuergeldern
Offenbar hat das Bundesfinanzministerium eine Aktivierung von Mitteln aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) erwogen. Gelder aus diesem Fonds sollen eigentlich nur Unternehmen zugutekommen, die wegen der Coronakrise in Schieflage geraten sind. Nicht minder interessant mutet die zweite Variante an: ein Kredit der öffentlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) an Wirecard. Beide Optionen wurden schließlich verworfen und so ein Engagement des deutschen Staates bei dem insolventen Unternehmen vermieden.
Unverständnis bei der Opposition
Die Erwägung derartiger Maßnahmen seitens des Bundesfinanzministeriums ruft Unverständnis bei der Opposition hervor. Bundestagsabgeordneter Fabio De Masi (Linke) schreibt auf seinem Twitter-Profil, der Vorgang sei "befremdlich". De Masi sitzt im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Bundestag.
„Es ist befremdlich, dass der Finanzminister mitten in der Corona Krise erwog, mit Steuergeldern sowie Banken Wirecard zu retten, um vermeintliche Zahlungstechnologie vor China abzuschirmen. Damals war das House of Wirecard ja bereits als gigantischer Betrug aufgeflogen.“
— Fabio De Masi (MdB) (@FabioDeMasi) January 19, 2021
Auch Florian Toncar, Bundestagsabgeordneter (FDP), äußert sich als Mitglied des Ausschusses immer wieder kritisch zu den Entwicklungen rund um Wirecard. Zu den Erkenntnissen um mögliche staatliche Hilfen für Wirecard hat er sich noch nicht geäußert.
. @BMF_Bund, #BaFin, @EY_Germany müssen sich bei #Wirecard schwere Versäumnisse vorwerfen lassen. Konsequenzen & Reformen in beiden Bereichen! Billige Schuldzuweisungen an jeweils anderen, nur um sich selbst in Sicherheit zu bringen sind inzwischen ein Skandal nach dem #Skandal.
— Florian Toncar (@florian_toncar) January 18, 2021
Steuergelder für ein insolventes, des Betrugs verdächtiges Unternehmen? Dem Bundesfinanzministerium schien selbst das nicht zu abwegig. Dass man von diesen Gedanken nach anfänglicher Prüfung abgekommen ist, ist nur zu begrüßen. Dass man überhaupt daran gedacht hat, ist erschreckend und befremdlich zugleich. Oder anders gesagt: Einfach nur unglaublich.