Die Berichtssaison läuft top, die Zahl der Geimpften nimmt stetig zu, die Konjunktur erholt sich. Alles könnte so schön sein – stünde da nicht der Mai vor der Tür. Sell in May and go away – den Spruch kennt jeder. Ein guter Tipp? Die Statistik spricht eine völlig andere Sprache. Warum glauben nur so viele daran?
Direkt vorweg: Der Mai ist ein schwacher Börsenmonat. Seit 1896 hat der Dow Jones im Wonnemonat im Schnitt 0,4 Prozent an Wert verloren.
Doch wer dem Markt bis zum September fernblieb, verpasste Performance: Juni, Juli und August sind allesamt Monate, bei denen es an der Börse etwas zu holen gab, bis es dann im September nach unten ging.
Dass viele Anleger im Mai verkaufen, liegt nach Auffassung Nikolas Kreuz‘ an der Irrationalität der Akteure. „Bei der Sell-in-May-Regel liegt die Wahrscheinlichkeit bei rund 20 Prozent“, erklärt der Geschäftsführer der Hamburger Vermögensverwaltung Invios. „Etwas mehr ist es vielleicht, denn die so plakativ einfache Mai-Verkaufsregel hat eine Eigendynamik entwickelt. Sie ist zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung geworden.“
Letztlich sei es eine Wahrnehmungsverzerrung des menschlichen Gehirns, das das Unwahrscheinliche in der Wahrnehmung überschätze.
„Obwohl der Erfolg eher unwahrscheinlich ist, wird doch die 20-prozentige Wahrscheinlichkeit höher gewichtet als die 80 Prozent, die dagegen sprechen“, so Kreuz. „Die Menschen messen unwahrscheinlichen Ereignissen irrational viel Gewicht bei, wenn sie nur so einfach und verständlich wie Sell in May daherkommen.“
Vielmehr gelte ein Grundsatz, der etlichen Menschen allerdings Unbehagen bereite: Buy the dip. Diese Regel hat sich in der Tat langfristig am besten ausgezahlt: Alle wichtigen Indizes befinden sich im langfristigen Aufwärtstrend und auf Rekordniveau.
Natürlich kann es nach der Rallye der vergangenen 13 Monate immer mal wieder zu Dips kommen. Doch auch das sind dann klare Kaufchancen, da es nach wie vor keine Alternativen zu Aktien gibt.