SAP-Chef Christian Klein hat den Cloudausbau merklich verschärft und dafür die von vielen Anlegern ersehnte Margenerholung hintenangestellt. Von Gewinnerholung also keine Spur. Vielmehr haben die Quartalszahlen Mitte Juni eindrucksvoll gezeigt, dass die Talsohle noch nicht durchschritten ist.
Mittlerweile ist wohl jedem Anleger klar, dass SAP für den forcierten Cloud-Ausbau die Rendite opfert. Der einfache Grund: Die herkömmliche Lizenzsoftware schlägt dank ihrer hohen Einmalverkaufspreise direkt am Anfang durch, während sich die Cloudverträge erst nach längerer Laufzeit rechnen.
Doch dies ist nicht der einzige Grund für die sinkenden Gewinne, denn auch auf Kostenseite schjlägt sich die Cloud-Strategie zu Buche. Denn für den Strategieschwenk wird auch die Technik umgebaut und der Vertrieb mit finanziellen Anreizen auf den Cloud-Abo-Abschluss getrimmt.
Die Investitionen dafür betrugen im zweiten Quartal rund 100 Millionen Euro. Und sie werden noch bis Mitte 2023 anhalten, ab dann will der Konzern die Ernte einfahren. Im Gesamtjahr 2023 soll das bereinigte operative Ergebnis im zweistelligen Prozentbereich wachsen, prognostizierte Finanzchef Luca Mucic, der kommenden März SAP verlassen wird.
Die Gewinnentwicklung im Detail
Das bereinigte operative Ergebnis ging im zweiten Quartal um 13 Prozent auf 1,68 Milliarden Euro zurück und fiel damit schwächer aus als von Experten im Schnitt gedacht. Die Aufgabe der Russland-Geschäfte fiel dabei mit 160 Millionen Euro ins Gewicht – nicht zuletzt wegen der laut Mucic "ironischen" Aufwertung des russischen Rubels. Aufs Jahr gesehen dürften wegen des Ukraine-Kriegs rund 350 Millionen Euro an Kosten anfallen.
In der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Lage griffen die Kunden zudem vorwiegend auf die Cloudsoftware zurück. Das entspricht zwar der Marschrichtung des CEO, aber belastet eben auch die Margen. Unter dem Strich sackte der Nettogewinn um 86 Prozent auf nur noch 203 Millionen Euro ab.
Immerhin spielt derzeit der schwache Euro den Walldorfern in die Karten. Während SAP zwar den Jahresausblick ohne Wechselkurseffekte angibt, rechnet das Unternehmen durch die nun vorteilhaftere Umrechnung von Fremdwährungen mit Rückenwind. Das Wachstum der Clouderlöse dürfte dadurch 7 bis 9 Prozentpunkte höher ausfallen, die Veränderung des bereinigten Betriebsergebnisses wird um 2,5 bis 4,5 Prozentpunkte aufgebessert.
Viel Zeit bleibt Klein beim Balance-Akt zwischen Cloud-Wachstum und Rendite nicht: Der Erzrivale Oracle macht schließlich Fortschritte beim Verkauf cloudbasierter Unternehmenssteuerungssoftware und Salesforce droht SAP beim Umsatz schon bald zu überholen.
Die Anleger bleiben daher skeptisch und die SAP-Aktie hat seit der Zahlenveröffentlichung nur 2,6 Prozent zugelegt – und das trotz eines sich erholenden Gesamtmarktes. Charttechnisch bringt der Bruch des GD100 jedoch ein weiteres Kaufsignal mit sich. Bei einem nachhaltigen Ausbruch über die Widerstandszone bei 95 Euro können die Anleger wieder einen Fuß in die Tür bekommen.
Mit Material von dpaAFX.