Eine riesige Zahl von Mitarbeitern des Zahlungsdienstleisters Wirecard soll schon lange Zeit über die bilanziellen Machenschaften der Wirecard-Führungsriege um Vorstand Markus Braun informiert gewesen sein, meldet das Handelsblatt. Die Scheinwelt der Vorstände und das reale Zahlenwerk gingen weit auseinander.
Ausschlaggebend war das regelmäßige „Payment & Risk Monthly Reporting“, das einer Zahl von etwa 250 Wirecard-Mitarbeitern zugänglich war und eine konzernweite Informationsbasis darstellte. Diese Berichte wurden regelmäßig in Form einer Power-Point-Präsentation, immer zu Monatsbeginn zur Verfügung gestellt.
Beispiel: Transaktionsvolumen für 2019. Für das Jahr wurde intern ein reales Volumen von 61,3 Milliarden Euro gezählt. Die Darstellung nach außen sah anders aus: Gemäß den offiziellen Berichten hatte Wirecard angeblich mehr als das Doppelte an Transaktionen abgewickelt, 124,2 Milliarden Euro allein in den ersten neun Monaten des Jahres 2019. Deutlich mehr als die Hälfte des Wirecard-Geschäfts war damit womöglich gefälscht. Zudem verbuchten in der Coronakrise etliche Kunden starke Umsatzeinbußen. Der Abschwung spiegelte sich in den Reports wider, doch wurden diese aber nicht nach außen kommuniziert.
Auch das Reporting von Vorstand Markus Braun für das Jahr 2018 war deutlich beschönigt. Der CEO trat am 14. Februar 2019 vor die Presse und verkündete einen Gewinnsprung um 40 Prozent, doch diese Zahl war bereits manipuliert.
Sogar Vorständin Susanne Seidl habe neben den durch Braun kommunizierten Ergebniszahlen, die realen internen Angaben erhalten und Bescheid gewusst.
Das ominöse Asien-Geschäft des Konzerns war schon vielen Angestellten in Aschheim aufgefallen. Ein Wirecard-Mitarbeiter der Zentrale erklärte jetzt gegenüber dem Wirtschaftsmagazin, zunächst habe das Drittpartnergeschäft der Verschleierung von Zahlungen für dubiose Partner gedient, etwa aus der Gambling- und Porno-Szene. „Im Konzern wollte niemand so genau wissen, was Marsaleks Bereich macht. Er hat Umsatz und Gewinn geliefert, aber alle haben vermutet, dass es um schmutzige Geschäfte geht.“
Das Reporting stellte eine zentrale Datensammlung für Transaktionszahlen und große IT-Projekte dar. Mitarbeiter, darunter viele Techniker, aber auch Manager, konnten so die echten Zahlen jederzeit mit den euphorischen Fake-Angaben vergleichen, die Braun regelmäßig den Investoren und der Öffentlichkeit präsentierte.
Die Wirecard-Aktie ist seit der Insolvenz fest in Zocker-Hand. Längerfristig orientierte Anleger meiden das Papier.