Während der Kurs der schwer erschütterten Retail-Holdinggesellschaft bei einem Cent herumdümpelt, ist die Aufarbeitung des Milliarden-Bilanzskandals, der Ende 2017 publik wurde, immer noch nicht abgeschlossen. Nun muss sich einer der mutmaßlichen Drahtzieher verantworten. Geschädigte Anleger dürften davon aber nichts mehr haben.
Der einstige Steinhoff-Chef Markus Jooste steht zusammen mit einem Treuhänder morgen in Oldenburg vor dem Landgericht. Die Staatsanwaltschaft wirft dem ehemaligen Chef Anstiftung in fünf Fällen und dem Treuhänder Beihilfe in vier Fällen zur Bilanzmanipulation in Milliardenhöhe vor.
Das Bekanntwerden von Manipulationen Ende 2017 vernichtete damals den Börsenwert des Unternehmens fast vollständig. Steinhoff hat seine Wurzeln in Westerstede in Niedersachsen. Steinhoff ist inzwischen eine Holdinggesellschaft mit Sitz in Amsterdam, Börsennotierungen in Frankfurt und Johannesburg und operativer Zentrale in Südafrika.
Milliarden-Betrug
Anlass für die falschen Angaben in den Bilanzen waren laut der Anklage Gewinnvorstellungen von Jooste, die durch das reguläre Geschäft nicht erreicht werden konnten, wie eine Gerichtssprecherin sagte. Die Staatsanwaltschaft wirft den Männern vor, von Juli 2011 bis Januar 2015 Buchgewinne aus Scheingeschäften in die Bilanzen konzernzugehöriger Gesellschaften hineingeschrieben zu haben. Dabei sollen auch zwei frühere Geschäftsführer einer deutschen Tochtergesellschaft geholfen haben.
Mit diesen Scheingeschäften soll die Bilanz um mehr als 1,5 Milliarden Euro aufgehübscht worden sein. Hinzu kommen laut Staatsanwaltschaft nochmals 820 Millionen Euro durch eine überhöhte Darstellung erworbenen Immobilienvermögens.
Zu dem Prozess werden sowohl der Südafrikaner Jooste als auch der 72 Jahre alte britische Treuhänder erwartet. Das Verfahren gegen die deutschen Geschäftsführer der Tochtergesellschaft wegen Bilanzmanipulation wurde aus organisatorischen Gründen abgetrennt. Es soll am 3. Mai in Oldenburg beginnen.
Es geht nicht um die Anleger
Der Prozess vor dem Oldenburger Gericht dreht sich allein um die falschen Darstellungen in den Bilanzen. „Es geht nicht um einen Schaden, der entstanden ist“, betonte die Gerichtssprecherin. Bilanzfälschung sei eine Straftat. Jooste weist nach früheren Berichten die Vorwürfe zurück. Damals wurden mehrere Milliarden Börsenwert vernichtet.
Weitere Entschädigungen dürfte es wohl nicht geben. Anfang 2022 hatte Steinhoff sich im Zuge einer Sammelklage bereiterklärt, 1,2 Milliarden Euro an geschädigte Anleger zu zahlen. Drei Jahre zuvor hatte die südafrikanische Finanzaufsicht wegen falscher, irreführender und trügerischer Angaben eine Strafe in Höhe von 1,5 Milliarden südafrikanischen Rand (74,8 Millionen Euro) verhängt.
Der Jooste-Prozess dürfte für Anleger bedeutungslos sein. Steinhoff ist mit mehr als 10 Milliarden Euro völlig überschuldet. Anlegern droht der Totalverlust, nachdem es der einstige MDAX-Konzern ohnehin nur noch auf ein paar Millionen Euro Börsenwert und einen Aktienkurs bei 1 Cent bringt (siehe weiterführende Beiträge). Wie sehr Steinhoff-Anleger letztendlich zu ihren Gunsten in Form von Vergleichsbemühungen und rechtlichen Mitteln noch Einfluss nehmen können, ist ungewiss. Das Totalverlustrisiko bleibt enorm hoch. DER AKTIONÄR hatte über Jahre hinweg noch bei deutlich höheren Kursen stets vom Kauf der Hochrisiko-Aktie Steinhoff abgeraten. Anleger waren damit stets gut beraten.
(mit Material von dpa-AFX)