Nach dem Bilanzskandal beim Zahlungsdienstleister Wirecard will Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) künftig eine stärkere Kontrolle durch den Staat ermöglichen. Der SPD-Politiker wolle mit einem insgesamt 16 Maßnahmen umfassenden Aktionsplan unter anderem die Finanzaufsicht BaFin stärken und Anleger besser schützen, berichtete die Süddeutsche Zeitung (SZ) in ihrer Onlineausgabe. Damit reagiert der Finanzminister auf den Druck des Kapitalmarktes und Anlegerschützer sowie harscher Forderungen Berliner Opposition nach Konsequenzen.
Dazu solle die BaFin neu aufgestellt und die Transparenz verbessert sowie Absprachen zwischen den Behörden sollten vereinfacht werden. Ziel sei, entsprechende Gesetze bis Frühling 2021 zu verabschieden, so Scholz.
Der inzwischen insolvente Dax -Konzern Wirecard hatte im Juni Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt. Der Skandal hatte auch die Bundesregierung und Scholz in Erklärungsnot gebracht. Zentrale Fragen sind, wann genau die Regierung von Unregelmäßigkeiten wusste, ob sie zu wenig dagegen unternommen hat - und ob die Bundesregierung womöglich Wirecard unterstützte, obwohl der Verdacht von Unregelmäßigkeiten bereits im Raum stand.
Die Opposition droht mit einem Untersuchungsausschuss, falls die Bundesregierung aus ihrer Sicht nicht ausreichend zur Aufklärung der Vorgänge rund um Wirecard beiträgt. Gerade für Scholz, der als möglicher SPD-Kanzlerkandidat gilt, könnte dies unangenehm werden. Am kommenden Mittwoch stellen sich Scholz sowie Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bei einer Sondersitzung des Finanzausschusses Fragen der Abgeordneten.
Der Finanzminister hatte bereits Reformen bei der Bilanzkontrolle sowie einen Aktionsplan angekündigt. Er hatte Ende Juni betont, der Staat müsse in der Lage sein, „komplizierte internationale Firmenkonstrukte wie Wirecard“ effizienter und wirksamer zu kontrollieren. Sollten rechtliche, gesetzgeberische oder regulatorische Maßnahmen nötig werden, werde man sie ergreifen.
Laut SZ will Scholz nun die erforderlichen Konsequenzen ziehen, um das Vertrauen in den deutschen Finanzmarkt dauerhaft zu stärken. Er wolle die „Regeln nachschärfen, damit sich derartige Fälle möglichst nicht wiederholen“.
Sonderermittler
Der Plan sehe vor, dass der Staat künftig über die Finanzaufsicht Bafin bei Verdacht auf Unregelmäßigkeiten bei Unternehmen wie Banken, Versicherungen und Zahlungsdienstleistern schnell und direkt eingreifen und Sonderermittler einsetzen kann. Das bisherige zweistufige System bei der Bilanzkontrolle solle abgeschafft werden. Es solle auch untersucht werden, wie Hinweise von "Whistleblowern" stärker genutzt und wie Anreize für Hinweisgeber verbessert werden können.
Anleger sollen zukünftig besser geschützt besser werden. Um Betriebsblindheit zu vermeiden, sollten Bilanzprüfer von Unternehmen, die mit gelisteten Wertpapieren arbeiten, künftig alle zehn Jahre ausgetauscht werden. Außerdem sollten Beratung und Kontrolle schärfer getrennt werden, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Verfehlungen sollen außerdem schneller und strenger geahndet werden, so die Zeitung. Die zivilrechtliche Haftung von Abschlussprüfern solle überprüft werden.Der Betrugsskandal beim Dax-Konzern Wirecard hatte am Mittwoch eine neue Dimension erreicht. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht mittlerweile von „gewerbsmäßigen Bandenbetrug“ seit 2015 aus, mehr als drei Milliarden Euro könnten verloren sein. Ex-Vorstandschef Markus Braun wurde zum zweiten Mal innerhalb eines Monats in Untersuchungshaft genommen - und anders als Ende Juni auch nicht mehr gegen Millionenkaution auf freien Fuß gesetzt.
Ebenfalls mit Haftbefehl hinter Gittern sitzen nun der frühere Finanzvorstand Burkhard Ley und der ehemalige Chef der Buchhaltung. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft laufen darauf hinaus, dass der Dax-Konzern womöglich seit 2015 von einer kriminellen Bande geführt wurde - ein in der Geschichte der deutschen Börsen-Oberliga noch nicht dagewesener Vorgang.
mit Material von dpa-AFX
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