Nachdem die wiederholten Negativ-Schlagzeilen zur Bilanzierung deutliche Spuren an Image und Aktienkurs von Wirecard hinterlassen haben, bemüht sich der Zahlungsabwickler seit Monaten darum, die Wogen zu glätten. Einigen sind die bisherigen Maßnahmen aber immer noch zu wenig.
Zu Letzteren gehört Rechtsanwalt Wolfgang Schirp, der mit einer Gruppe von Kleinaktionären eine unabhängige Sonderprüfung nach Paragraph 142 des Aktiengesetzes (AktG) bei Wirecard anstoßen will. Das berichtete zuerst die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). „Wir wollen, dass das Versteckspiel aufhört“, zitiert die Zeitung den Anwalt.
Um eine solche Sonderprüfung auf den Weg zu bringen, wäre allerdings eine außerordentliche Hauptversammlung nötig. Für einen entsprechenden Antrag braucht Schirp die Unterstützung von mindestens fünf Prozent des Grundkapitals – 2,5 Prozent der Anteile vertritt er nach eigenen Angaben bereits. Andernfalls müsste er mit seinem Antrag bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung am 2. Juli warten.
Zweifel an Vorstand und Aufsichtsrat
Seit Bekanntwerden der Vorwürfe vor fast einem Jahr hat Wirecard bessere Transparenz und Compliance gelobt und eine eigene Bilanzprüfung durch KPMG in Auftrag gegeben. Doch das reicht dem Anwalt und seinen Klienten nicht: Sie befürchten, dass Vorstand und Aufsichtsrat des DAX-Konzerns nicht alle Informationen an die Aktionäre weiterreichen könnten.
Daran ändert auch nichts, dass Wirecard am späten Freitagabend überraschend den sofortigen Rücktritt des bisherigen Aufsichtsratschefs Wulf Matthias bekanntgab. An seine Stelle tritt Thomas Eichelmann, der derzeit den Prüfungsausschuss leitet (DER AKTIONÄR berichtete). Auch wenn die offizielle Begründung „Generationenwechsel“ lautet, ist der Schritt zumindest in Teilen auch eine Reaktion auf Forderungen nach einer Professionalisierung des Kontrollgremiums zu werten.
Die Mehrheit der Anleger scheint mit den bisherigen Schritten und speziell mit dem Personalwechsel an der Aufsichtsratsspitze indes ganz zufrieden: Für die Wirecard-Aktie ging es am Montag in der Spitze um über drei Prozent nach oben. Einige vermuten hinter der Drohung mit dem Antrag auf eine unabhängige Sonderprüfung auch nur eine PR-Aktion.
Kurzfristig liegt der Fokus bei Wirecard ganz klar auf den Ergebnissen der KPMG-Prüfung, die bis Ende des ersten Quartals vorliegen sollen. Gelingt es damit, die Bilanzzweifel zu zerstreuen, sieht DER AKTIONÄR gute Chancen für ein Comeback der Aktie. Mehr dazu lesen Sie in der aktuellen Ausgabe (03/2020).
Hinweis nach §34 WPHG zur Begründung möglicher Interessenkonflikte: Aktien oder Derivate, die in diesem Artikel besprochen / genannt werden, befinden sich im "Real-Depot" von DER AKTIONÄR.