Dividende gestrichen, die ohnehin niedrigen Erwartungen verfehlt und keine Besserung in Sicht: Die Veröffentlichung der Zahlen von ThyssenKrupp kommt einem Offenbarungseid gleich. Damit wächst der Druck auf Konzernchefin Martina Merz beim Umbau. Frisches Geld durch die Abspaltung der Aufzugssparte wird dringender benötigt denn je.
Der Verlust stieg 2018/19 um ein Vielfaches. Im neuen Geschäftsjahr soll es noch schlimmer werden. Da überrascht es kaum noch, dass ThyssenKrupp die Dividende streicht. Die neue Chefin Martina Merz kündigt zudem bereits an, dass die Krise noch lange anhalten wird und tritt gegen ihre Vorgänger nach. Nun liegt es an ihr zu beweisen, dass sie es besser kann.
Konkret wird aber auch Merz wieder einmal nicht. Angeblich ist sich der Konzern noch immer nicht sicher, ob die Aufzüge verkauft oder an die Börse gebracht werden. Beide Optionen werden parallel vorangetrieben – das kostet Geld und Zeit, obwohl ein Verkauf aufgrund der desaströsen Bilanz inzwischen alternativlos scheint. Auch Anlagenbau und Autokomponenten werden beim Thema Umbau explizit genannt. Neu ist das nicht, beide Sparten stehen schon lange unter Beobachtung – Ergebnisse gibt es noch immer nicht.
Offen bleibt auch die Frage nach der Zukunft des Stahlgeschäfts. Mit der Tata-Fusion wollte sich ThyssenKrupp hier verabschieden. Nach dem Veto der EU könnte Stahl allerdings wieder zum Kerngeschäft und Herz des Konzerns werden. Ein Zukunftskonzept soll im Dezember den Aufsichtsrat vorgestellt werden. Wie Merz dem Preisdruck, den Überkapazitäten und der schwächelnden Konjunktur begegnen will, bleibt bis dahin ebenfalls ungeklärt.
ThyssenKrupp hat über Jahre viele Fehler gemacht. Merz zeigt das schonungslos auf, allerdings hat auch sie bislang weder als Konzernchefin noch zuvor als Aufsichtsratschefin Lösungen liefern können. Die Ausführungen heute zeigen, dass sie mehr Zeit benötigt – Zeit, die sie eigentlich nicht hat. Anleger verlieren deshalb wieder einmal die Geduld und schicken die Aktie zweistellig auf Talfahrt.
Das Desaster mit den Zahlen schockiert. Positive Nachrichten sucht man vergebens. Die Liste der Baustellen bei ThyssenKrupp ist schier endlos. Vor allem der hohe Verlust und die miese Prognose enttäuschen. Trotz aller Hiobsbotschaften gilt bei ThyssenKrupp aber nach wie vor. Die Aufzugssparte ist 15 bis 17 Milliarden Euro wert. Gelingt der Verkauf zu einem lukrativen Preis, könnte eine Turnaround-Story beginnen. Mutige Anleger können deshalb weiter an Bord bleiben – auch wenn Konzern und Management das Vertrauen einmal mehr auf eine harte Probe stellen.