Seine letzte Hauptversammlung als Infineon-Chef ist für Reinhard Ploss gestern zur Ehrenrunde geworden. Sowohl Aktionärsvertreter als auch Aufsichtsrat zollten dem Vorstandsvorsitzenden, der Ende März die Führung abgibt, ihren Respekt. Ploss fällt der Abschied nicht leicht. Man habe gemeinsam schwierige Zeiten gemeistert. „Ich bin stolz darauf, was wir in den letzten Jahren geschaffen und bewegt haben.“
Fast zehn Jahre hatte Reinhard Ploss als Vorstandsvorsitzender das Sagen bei Infineon. Der CEO führte den einstigen Pleitekandidaten wieder an die Weltspitze. Big Deals inklusive. Nach der von den US-Behörden untersagten Akquisition von Wolfspeed hat der Konzernchef die 9-Milliarden-Euro-Übernahme des US-Wettbewerbers Cypress Semiconductor eingefädelt. Der Aktienkurs hat sich in seiner Ära mehr als versiebenfacht. Dass der Konzern heute "hervorragend" dastehe, sei ganz wesentlich das persönliche Verdienst von Ploss, betonte Aufsichtsratschef Wolfgang Eder auf der Hauptversammlung.
Auch Aktionärsvertreterin Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) war voll des Lobs für den Manager. Dieser habe aus einem Unternehmen, dessen Aktie einst unter einem Euro gelegen habe, einen stabilen Konzern gemacht und es "wie ein guter Spürhund" durch die Wellenbewegungen des Marktes geführt. Sie werde seine Erklärungen der Infineon-Produkte vermissen.
Markus Golinski von Union Investment pries den "strategischen Weitblick". Ploss übergebe ein Unternehmen "mit sehr guten Wachstumsaussichten" an seinen Nachfolger Jochen Hanebeck. Der studierte Elektrotechnik-Ingenieur Hanebeck ist seit 2016 im Vorstand und war seitdem als Produktvorstand (COO) bei allen Entscheidungen involviert. Hanebeck wird sicher seine persönlichen Akzente setzen, um den eingeschlagenen Wachstumskurs erfolgreich fortzusetzen.
Dazu wird Konzern weiter investieren. Erst vergangenes Jahr ging – zum angesichts der Chipkrise perfekten Zeitpunkt – ein neues Werk im österreichischen Villach an den Start. Für das nächste soll in wenigen Monaten der Bau beginnen: Es entsteht für gut zwei Milliarden Euro in Malaysia und wird dann die dritte Fabrik des Konzerns am dortigen Standort Kulim sein. Dort sollen ab 2024 Halbleiter aus Siliziumkarbid und Galliumnitrid entstehen. Wenn das Werk auf voller Auslastung fährt, soll es für zwei Milliarden Euro Jahresumsatz sorgen.
Zum Vergleich: Im laufenden Geschäftsjahr 2021/22 soll der Umsatz bei einem unterstellten EUR/USD-Wechselkurs von 1,15 (zuvor 1,20) 13 Milliarden Euro erreichen. Infineon erzielt rund zwei Drittel seiner Erlöse in Dollar. Die operative Marge soll auf 22 Prozent (Vorjahr: 18,7 Prozent) steigen.
Der Wechsel an der Infineon-Spitze steht angesichts der guten Position des Chipherstellers unter dem Vorzeichen der Kontinuität. Ein Ende der Wachstumsstory ist noch nicht in Sicht. Infineon hat seine Hausaufgaben gemacht. Der Konzern sollte daher auch die Lieferkettenprobleme ganz gut managen können. Anleger sollten sich von der jüngsten Kursentwicklung nicht aus der Ruhe bringen lassen – heute notiert die Aktie 0,27 Euro ex Dividende – und auf eine Fortsetzung der Erfolgsgeschichte und Nachfolger Hanebeck setzen.
(Mit Material von dpa-AFX)