HelloFresh schockte am Mittwoch mit einer unerwarteten Prognosesenkung – und das drei Wochen nachdem man noch die Jahresziele bestätigt hatte (DER AKTIONÄR berichtete). Der Aktienkurs rauschte zeitweilig um rund 25 Prozent in die Tiefe. Wie konnte sich die Nachfrage in so kurzer Zeit so dermaßen signifikant eintrüben? DER AKTIONÄR hat beim Unternehmen konkret nachgefragt.
Die Antwort, die HelloFresh dem AKTIONÄR gegeben hat, ist jedoch eine Farce und hat keinerlei Substanz, um verlorengegangenes Vertrauen auch nur ansatzweise zurückzugewinnen. Warum? Das Unternehmen zitiert lediglich die eigenen Zeilen der jüngsten Pressemitteilung: "Wie in der Meldung von Mittwoch erwähnt, haben sich die geringeren Produktionskapazitäten und die reduzierte Neukunden-Akquisition erst nach Veröffentlichung des Q3 Abschlusses herauskristallisiert. Geringere Produktionskapazitäten und reduzierte Neukunden-Akquisition in Schlüsselwochen können materielle Auswirkungen haben. Im konkreten Fall mussten wir unsere Prognose anpassen, weil die in der Meldung genannten Punkte, die allesamt nicht eingeplant waren, zusammengekommen sind", heißt es in der Antwort an den AKTIONÄR.
Noch deutlicher und damit enttäuschender fällt die Reduzierung des EBITDAs. Diese Kennziffer soll jetzt nur 430 Millionen bis 470 Millionen Euro erreichen und liegt damit selbst unter der niedrigsten Analystenprognose. Bisher hatte das Management 470 Millionen bis 540 Millionen Euro in Aussicht gestellt.
Das Glaubwürdigkeitsproblem dürfte HelloFesh also mittelfristig hartnäckig begleiten Zur Erinnerung: Hellofresh hatte nämlich erst vor drei Wochen seine Prognosen, im Rahmen der kommunizierten Q3-Zahlen, die Ziele erst vor drei Wochen bei der Vorlage von Quartalszahlen bekräftigt. Das Berliner Unternehmen hatte sogar eher noch positive News gesendet und eine währungsbereinigte Umsatzsteigerung um 3,5 Prozent auf über 1,9 Milliarden Euro kommunikativ in den Vordergrund gestellt. Das einzig Negativ war, dass Unternehmens-Boss Dominik Richter den Schwund an aktiven Kunden um neun Prozent auf rund sieben Millionen einräumte. Nun kommt nur drei Wochen später die Korrektur der Jahresziele. Beim Umsatz spricht der Vorstand von einer „Präzisierung“ auf eine Wachstumsspanne von zwei bis fünf Prozent. Zuvor war von einer Bandbreite zwischen zwei bis acht Prozent.
Der Blick auf die Kursentwicklung der HelloFresh-Aktie ist indes ein wahres Desaster: Wer sich vor zwei Jahren die Papiere ins Depot gelegt und immer noch nicht die Reißleine gezogen und festgehalten hat, liegt mittlerweile mehr als 80 Prozent hinten – seit Anfang des Jahres rund 36 Prozent.
Klar, seinerzeit hatte die Aktie von den Effekten aus der Corona-Pandemie profitiert. Stichwort: Lockdown und Homeoffice, (auch) das (mittägliche) Kochen in den eigenen vier Wänden war im Begriff, ein neuer Trend zu werden. Marketingkosten für die Neukunden-Gewinnung waren also überschaubar. Nun ist genau dieses Unterfangen wieder teurer und aufwändiger. Und exakt damit begründet HelloFresh auch die überraschende Prognosesenkung. Und wenn man schon kein Glück hat, kommt auch noch Pech dazu, sprich Probleme beim Ausbau der Produktionskapazitäten im wichtigen US-Markt...
HelloFresh hat sehr viel Vertrauen bei Investoren und Analysten verspielt. Dieses zurückzugewinnen dürfte dauern. DER AKTIONÄR rät Anlegern, den Titel bis auf weiteres zu meiden. Es drohen aus chattechnischer Sicht, trotz der heutigen kleinen Gegenbewegung (plus zwei Prozent), weitere Abgaben bis in den Bereich von 13,30 Euro.
(Mit Material von dpa-AFX)
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