Es ist ein schauriger Wochenauftakt an den Börsen dieser Welt: Nachdem der Markt in Hongkong mit heftigen Verlusten in den Feierabend gegangen ist, taumeln jetzt die Kurse in Europa und in den USA. Der drohende Kollaps des Immobilienkonzerns China Evergrande hängt wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der Bullen. Zusammen mit einem zweiten Faktor ergibt die mögliche Pleite eine toxische Mischung.
Stürzt die mögliche Pleite des chinesischen Immobilienkonzerns Evergrande den Aktienmarkt in den Crash? Fest steht: Die zugespitzte Krise des chinesischen Immobilienkonzerns Evergrande hatte an der Hongkonger Börse bereits zu schweren Verlusten geführt. Zuletzt hatten mehrere Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit von Evergrande weiter heruntergestuft und vor Zahlungsausfällen gewarnt. Marktexperten sahen bei den Anlegern in Europa nun große Sorgen, dass die Krise des China-Konzerns weitere Kreise zieht. Die Aktie von Evergrande befindet sich im freien Fall.
Erste Effekte der möglichen Pleite machen sich auch in Europa bemerktbar. Beobachter sprechen vor dem Hintergrund möglicher Zahlungsausfälle von Evergrande bei gleichzeitiger Kaufzurückhaltung vor geldpolitischen Signalen der US-Notenbank von eine "toxischen Mischung" für den Aktienmarkt. Besonders Rohstoffwerte stehen weiter unter massivem Verkaufsdruck: der Branchenindex Stoxx Europe 600 Basic Resources rutschte um über fünf Prozent auf das Niveau von Anfang Februar ab. Aber auch Bankenwerte gerieten kräftig ins Trudeln
Mit diesen Befürchtungen und dem starken US-Dollar erklärte der Commerzbank-Rohstoffexperte Daniel Briesemann den Rutsch der Metallpreise zu Wochenbeginn. "Der Bausektor ist einer der größten Nachfrager nach Industriemetallen wie Kupfer und Aluminium sowie nach Stahl", so Briesemann. Der Dollar wiederum profitiere von der Erwartung der Anleger, dass die US-Notenbank in dieser Woche Signale für eine Rückführung der Anleihekäufe (Tapering) senden und sie im November dann beschließen wird.
Angst vor nächster Immobilienkrise "ist zurzeit groß"
Neben dem Risiko einer restriktiveren Haltung der Notenbanken habe die größere Verwundbarkeit der Konjunktur in China die Lage insgesamt verkompliziert, hieß es bei der Baader Bank. Auch mit Blick auf die Verluste der Finanzwerte wurde eine direkte Linie in die Volksrepublik gezogen: "Die Angst vor einer nächsten Immobilienkrise ist zurzeit groß", so Christian Henke vom Broker IG. Neil Wilson von Markets.com versuchte allerdings zu beruhigen: Er sehe derzeit keine Lehman-Wiederholung. Die Insolvenz der US-Investmentbank im Jahr 2008 hatte sich zu einer globalen Finanzkrise ausgeweitet.
Wilson zufolge hielten sich die Anleger derzeit aber zurück und nutzten den Rückschlag am Markt erst einmal nicht zum Wiedereinstieg - wie zuletzt regelmäßig gesehen. Dafür verantwortlich seien die bevorstehenden geldpolitischen Signale der US-Notenbank.
Evergrande ist nicht Lehman Brothers. Die USA nicht China. Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass die chinesische Regierung dem strauchelnden Konzern die helfende Hand nicht reicht, doch wahrscheinlicher ist, dass sie ihn stützt und so eine Chaos-Welle verhindert. Am Markt preisen die Teilnehmer eher ein negatives Szenario ein. Entsprechend schnell könnten sich die Kurse erholen, sollte China eingreifen. Rohstoff- und auch Bankwerte sind bis dahin jedoch mit Vorsicht zu genießen.
Mit Material von dpa-AFX