Vor dem "Autogipfel" am Dienstag geht der Schlagabtausch zwischen Befürwortern und Gegnern neuer Staatshilfen für die deutsche Schlüsselindustrie weiter. Die Automobil-Hersteller fordern eine Unterstützung der Politik für die von der Corona-Krise schwer getroffene Branche. Was die Aktien betrifft, so scheint eine Staatshilfe bereits beschlossene Sache…
"Es muss zeitnah entschieden werden"
Die Chefin des Branchenverbands VDA, Hildegard Müller, bekräftigte, rasche Beschlüsse seien nötig. "Es muss zeitnah politisch entschieden werden, damit es eine Klarheit im Markt gibt", sagte sie der "Welt am Sonntag". Auch VW -Chef Herbert Diess sprach sich erneut dafür aus. Doch die Kritik an Instrumenten ähnlich der "Abwrackprämie" 2009 reißt ebenfalls nicht ab - und es gibt neue Kompromissvorschläge.
Viele Autohersteller fahren derzeit ihre Produktion nach mehreren Wochen Corona-Lockdown wieder langsam hoch. Die Verkäufe bleiben aber gering - fällt die Nachfrage noch länger aus, könnten etwa übervolle Lager und ein stockender Materialfluss schon in kurzer Zeit zu neuen Probleme in den Fabriken und im Handel führen. Zudem sind zahlreiche Zulieferer auf ein wieder anziehendes Auto-Geschäft angewiesen.
Käufer halten sich zurück
Müller zufolge herrscht "doppelte Zurückhaltung": Potenzielle Käufer seien nicht nur durch die Corona-Krise selbst verunsichert. "Sobald eine Debatte stattfindet, ob der Staat mit einer Kaufprämie hilft, warten die Verbraucher natürlich ab, bis die Prämie tatsächlich kommt", sagte sie. Bundesregierung und Vertreter der Branche wollen am Dienstag über die angespannte Lage beraten. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte aber schon deutlich gemacht, dass bei dem Treffen mit keiner Entscheidung über spezielle Auto-Anreize zu rechnen sei.
"Wir brauchen die Prämie unabhängig von der Antriebsart, für das gesamte Produktangebot."
"Wir brauchen die Prämie"
VW-Chef Herbert Diess sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS), man solle nun keine "Grundsatzdiskussionen" führen, sondern den "Fokus auf die Konjunktur und Tempo" legen. "Sonst rennt uns die Zeit davon." Umweltorganisationen wie Greenpeace oder der BUND fordern, Fördergeld höchstens für Autos mit alternativen Antrieben - vor allem reine E-Fahrzeuge - in Aussicht zu stellen, ähnlich äußerte sich auch Umweltministerin Svenja Schulze (SPD). Der VW-Chef betonte, aus seiner Sicht komme man in der aktuellen Lage nicht um eine darüber hinaus gehende Unterstützung herum: "Wir brauchen die Prämie unabhängig von der Antriebsart, für das gesamte Produktangebot."
"Wegen der sehr großen Bedeutung für die deutsche Volkswirtschaft halte ich staatliche Incentives in diesem Fall für richtig."
Diess hatte schon zum Wiederanlauf des Stammwerks Wolfsburg am vorigen Montag "baldige kraftvolle Maßnahmen" verlangt. Nach Vorstellung von VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh sollte ein Fördermodell eine "Impuls-Prämie" für Neuwagenkäufe umfassen, die auch für neue Verbrenner über "einen klar begrenzten Zeitraum" gilt.
Ähnlich sieht das Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler: "Wegen der schon lang andauernden Krise der Branche, die ja zum Teil auch durch politische bzw. richterliche Entscheidungen wie Fahrverboten oder Zöllen hervorgerufen wurde, und wegen der sehr großen Bedeutung für die deutsche Volkswirtschaft halte ich staatliche Incentives in diesem Fall für richtig", sagt der Auto-Analyst gegenüber dem AKTIONÄR.
Möglich wäre zum Beispiel eine Art Stufenmodell: je nach Antriebsform wird eine unterschiedliche Prämie als Kaufanreiz ausgesprochen. Möglich wäre auch eine Verschiebung der sportlichen CO2-Zielen, auf die für die Automobil-Hersteller Strafen in Milliardenhöhe zurollen.
VW ist am besten positioniert
Auf dem „Autogipfel“ am Dienstag werden mit großer Wahrscheinlichkeit keine Entscheidungen getroffen. Die Aktien der Automobil-Hersteller haben sich in der Erholungsphase des Marktes gut entwickelt - unter anderem aufgrund der Hoffung auf staatliche Unterstützung. Nummer 1 unter den Automobil-Herstellern bleibt VW. Die letzten Zahlen waren gut, der Durchschnittpreis je verkauftem Auto ist aufgrund der höheren Anzahl SUVs gestiegen. Die Mehrmarken-Strategie zahlt sich aus. Zudem ist VW auf das Elektrozeitalter am besten vorbereitet. Die spekulativere Variante ist Daimler. Daimler hat im Vergleich zu BMW und VW die schlechtere Kostendisziplin. Zudem ist man stärker von Nordamerika abhängig. Dennoch bleibt die Fantasie auf einen Ausbau der Anteile des chinesischen Partners Geely.
(Mit Material von dpa-AFX).