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TALLAHASSEE/CAPE CORAL (dpa-AFX) - Der "extrem gefährliche" Hurrikan "Ian" ist an der Westküste des US-Bundesstaats Florida auf Land getroffen. Das US-Hurrikanzentrum warnte vor meterhohen Sturmfluten, Überschwemmungen und heftigen Regenfällen. Die Behörden rechneten mit schweren Schäden an Infrastruktur, Kommunikationsleitungen und großflächigen und anhaltenden Stromausfällen. Für rund 2,5 Millionen Menschen in der Region galten Evakuierungsanweisungen.
Das Zentrum des Wirbelsturms der Stärke vier von fünf traf am Mittwochnachmittag (Ortszeit) bei der vorgelagerten Insel Cayo Costa nahe der Stadt Cape Coral auf die Küste, wie die Meteorologen mitteilten. "Ian" hatte über dem Golf von Mexiko an Kraft zugenommen und lag mit Windgeschwindigkeiten von rund 240 Stundenkilometern nur knapp unterhalb der Schwelle zur höchsten Hurrikan-Kategorie.
Erste Fotos und Videos in sozialen Medien zeigten im Bereich der Städte Fort Myers Beach, Cape Coral und Naples heftige - teils meterhohe - Überschwemmungen. Mehr als eine Million Haushalte im Südwesten Floridas waren am Mittwochnachmittag (Ortszeit) bereits ohne Strom, wie die Webseite Poweroutage zeigte.
Gouverneur Ron DeSantis erklärte, die Behörden stünden für Bergungs- und Reparaturarbeiten bereit, sobald das Wetter diese zulasse. Auf Twitter schrieb er, rund 7000 Soldaten der Nationalgarde und 179 Flugzeuge oder Hubschrauber stünden bereit. Zudem hielten sich bereits mehr als 40 000 Monteure der Versorgungsunternehmen bereit, um Stromleitungen zu reparieren. Dem US-Hurrikanzentrum zufolge können Stromausfälle infolge der "katastrophalen Schäden" eines Hurrikans der Kategorie vier Wochen oder Monate anhalten, ganze Landstriche könnten unbewohnbar sein.
Das Sturmsystem soll nun langsam über Land in nordöstlicher Richtung weiterziehen. Dabei dürfte "Ian" bald an Kraft verlieren, erklärte das Hurrikanzentrum. Der Wirbelsturm könnte aber auch am Donnerstag bei der Ankunft an der Ostküste des Bundesstaats noch zerstörerische Hurrikan-Stärke haben, warnten die Meteorologen.
Der Direktor des Nationalen Hurrikanzentrums, Ken Graham, betonte, es werde nach dem Eintreffen an Land vermutlich 24 Stunden dauern, bis der Wirbelsturm über Florida hinweggezogen sei. Das bedeute 24 Stunden heftiger Regenfälle. In Teilen Floridas seien in kürzester Zeit 50 bis 60 Zentimeter an Regen zu erwarten. Auch wenn der Wirbelsturm abziehe, bestehe weiter Gefahr durch Trümmer, kaputte Stromleitungen und dergleichen.
Floridas Gouverneur Ron DeSantis hatte die Bevölkerung in seinem Bundesstaat zuvor auf schwere Schäden vorbereitet. "Dies ist ein großer, starker Sturm", sagte DeSantis am Mittwochmorgen in der Hauptstadt Floridas, Tallahassee. "Er wird eine Menge Schaden anrichten", warnte er. Die nächsten ein bis zwei Tage würden "sehr hässlich", bis der Wirbelsturm über Florida hinweggezogen sei, sagte der republikanische Politiker voraus. "Das wird eine harte Strecke."
Deanne Criswell von der US-Katastrophenschutzbehörde Fema sagte, die voraussichtlich von dem Sturm betroffene Region habe seit rund 100 Jahren nicht mehr einen solchen Hurrikan erlebt. Es sei wichtig, dass auch Menschen, die noch nicht lange in dem südöstlichen Bundesstaat lebten und wenig Erfahrung mit Wirbelstürmen hätten, die Sache ernst nähmen. Experten beunruhigt auch, dass in den vergangenen Jahrzehnten in der Region immer näher am Wasser gebaut wurde. Überschwemmungen könnten viele Gebäude beschädigen oder zerstören.
Aus dem US-Verteidigungsministerium hieß es, Florida habe Soldaten und Ausrüstung an Stützpunkten im ganzen Bundesstaat positioniert, um sie für einen Einsatz in den vom Sturm betroffenen Gebieten vorzubereiten. Die Nationalgarde könne sich etwa um die Räumung von Straßen kümmern und bei Such- und Rettungsaktionen helfen. Präsident Joe Biden sagte dem Bundesstaat und den betroffenen Kommunen jegliche Unterstützung zu - auch für den nötigen Aufbau nach dem Sturm.
Am Dienstag war "Ian" als Hurrikan der Kategorie drei von fünf in Kuba auf Land getroffen. In der besonders betroffenen Provinz Pinar del Río seien zwei Menschen nach dem Einsturz ihrer Häuser gestorben, teilte die kubanische Regierung mit. In dem Staat mit gut elf Millionen Einwohnern fiel der Strom zeitweise landesweit aus.
Ein Boot mit Migranten aus Kuba sank unterdessen vor der Küste Floridas. Die US-Küstenwache suchte am Mittwoch nach 23 Menschen, wie sie auf Twitter mitteilte. Zuvor hatten vier Migranten von dem Boot aus schwimmend die amerikanische Stock Island neben Key West in stürmischen Wetterverhältnissen erreicht, hieß es./alz/DP/he
Quelle: dpa-AFX