Zahlreiche Analysten haben nach dem jüngsten Quartalsbericht von Bayer ihre Schätzungen überarbeitet. Tobias Gottschalt von Independent Research stuft den DAX-Wert derzeit mit "Halten" ein, das Kursziel beziffert er auf 43 Euro (vor den Quartalszahlen auf 48 Euro). DER AKTIONÄR hat bei Gottschalt nachgefragt, welche Gründe es für die pessimistische Einschätzung gibt.
DER AKTIONÄR: Herr Gottschalt, wie schätzen Sie die wichtigsten Kennzahlen von Bayer im dritten Quartal ein?
Tobias Gottschalt: Sowohl die Umsatz- als auch die Ergebnisentwicklung (berichtet/bereinigt) lagen unter meinen Erwartungen und dem Marktkonsens und wurden vor allem vom Segment Crop Science belastet. Das bereinigte Ergebnis war aufgrund von Produktretouren bei Crop Science rückläufig. Das berichtete Ergebnis wurde zusätzlich von Wertberichtigungen sowie mit der Glyphosat-Thematik verbundenen Sonderaufwendungen belastet.
Einzig im Segment Consumer Health konnten sowohl Umsatz als auch das berichtete und das bereinigte Ergebnis deutlich zulegen. Aufgrund dieses äußerst durchwachsenen Zahlenwerks hat sich meine Skepsis gegenüber dem Monsanto-Deal erhöht.
Könnte die hohe Nettofinanzverschuldung langfristig zum Problem werden? Drohen Dividendenkürzungen oder gar –aussetzungen?
Die Dividendenpolitik wird laut Bayer beibehalten. Die Ausschüttung wird in den kommenden Jahren aber am unteren Ende der Spanne – 30 bis 40 Prozent des bereinigten Ergebnis je Aktie liegen. Daher rechne ich in Zukunft mit Dividendenkürzungen.
Ausgerechnet die Division Crop Science bereitet Probleme. Sehen Sie für das Jahr 2021 eine Entspannung?
Vor dem Hintergrund der Auswirkungen und Folgewirkungen der Covid-19-Pandemie geht Bayer über das Jahr 2021 hinaus von niedrigeren Preisen für Nutzpflanzen, einem starken Wettbewerb im Soja-Geschäft, geringerem Verbrauch von Biokraftstoff und negativen Währungseffekten aus. Daher sehe ich keine schnelle Entspannung.
Sie zählen zu den pessimistischsten Analysten, die sich regelmäßig mit der DAX-Aktie befassen. Was sind die Gründe für Ihre jüngste Kurszielreduzierung?
Ich sehe in den meiner Einschätzung nach pessimistischen Aussichten für die Geschäftsentwicklung ab 2021 einen zusätzlichen Unsicherheits- bzw. Belastungsfaktor zu der nachwievor nicht endgültig geklärten Glyphosat-Thematik.
Vielen Dank für Ihre Einschätzung, Herr Gottschalt!
DER AKTIONÄR teilt die skeptische Einschätzung vom Independent-Research-Analysten Gottschalt. Die mauen Aussichten in der Division Crop Science und die ungelösten Glyphosat-Rechtsstreitigkeiten in den USA dürften eine Neubewertung der Aktie verhindern. Auch wenn sich in den letzten Handelstagen die charttechnische Situation verbessert hat, sollten Anleger weiter die Finger von Bayer lassen.