Die Aktie von Verbio ist im Zuge kritischer Äußerungen zur Biokraftstoff-Industrie zweier Bundesministerinnen schwer unter Druck geraten. DER AKTIONÄR hat daraufhin mit dem Firmenlenker des SDAX-Unternehmens, Claus Sauter, über die jüngste Debatte und potenziellen Auswirkungen auf Verbio gesprochen.
DER AKTIONÄR: Herr Sauter, was halten Sie von den jüngsten teils schockierenden Aussagen von den Bundesministerinnen Steffi Lemke und Svenja Schulze?
Diese Aussagen sind meiner Meinung nach nicht schockierend, sie sind haltlos. Ich bin überrascht, wie unser Aktienkurs darauf reagiert. Denn es ist nichts Neues. Wir haben in Deutschland bereits im EU-Vergleich den geringsten Anteil an Nahrungsmitteln bei der Biokraftstoffproduktion. Diese Äußerungen wurden offenbar teilweise auch falsch verstanden. Wir setzen seit Jahren auf fortschrittliche Biokraftstoffe ohne Nahrungsmittel.
Also wären Sie von weiteren Einschränkungen nicht betroffen?
Wir investieren 300 Millionen Euro in fortschrittliche Biokraftstoffe. Aufgrund der Situation in Deutschland, die ich seit 20 Jahren kenne, haben wir unseren Fokus in Richtung Nordamerika verschoben. Diese Ankündigungen betreffen Verbio nicht und haben keinerlei Auswirkungen. Wir werden unsere Produktion in Deutschland nicht zurückfahren. Wenn es in Deutschland nicht gebraucht wird, exportieren wir unsere Produkte ins umliegende Ausland. In Europa kann die derzeitige Ethanol-Nachfrage ohnehin nicht bedient werden, die Produktionskapazitäten reichen bei weitem nicht aus.
Wie läuft das Geschäft in Nordamerika?
Vor Kurzem haben wir unsere Anlage im US-Bundesstaat Iowa eingeweiht. Die Unterstützung ist grandios. Hinzu kommt, dass sich die Preise für Biomethan auf einem Rekordniveau befinden. Auch in Deutschland ist Biomasse eine Option, gerade für den gewerblichen Güterverkehr. Denn 70 Prozent des Dieselverbrauchs in Deutschland ist auf diesen Bereich zurückzuführen. Wir fahren unsere Produktion hoch und werden in der Lage sein, Biomethan günstiger anzubieten als Dieselkraftstoff. Hinzu kommt, dass unser Biomethan 90 Prozent weniger Emissionen aufweist.
Warum genießen Biokraftstoffe in Nordamerika einen so hohen Stellenwert?
Es spielen drei Themen eine Rolle: Landwirtschaft, Versorgungssicherheit und Klimaschutz. In den USA ist die Priorisierung genau in dieser Reihenfolge. In Europa ist es hingegen genau andersherum. Nirgendswo in der Welt gibt es eine so hohe Dichte an Ethanol-Anlagen wie in den USA.
Würden Sie weitere Förderanreize in Deutschland begrüßen?
Natürlich würde ich das begrüßen, allerdings entscheide ich das nicht. Die Politik ist gefordert, ihre ambitionierten Klimaziele zu erreichen. Dass uns Frau Schulze ständig in den Rücken schießt, ist sicherlich nicht förderlich. Wir sind nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung.
Teilen Sie die Ansicht, dass es ein globales Hungerproblem gibt?
Das Problem ist doch schon lange bekannt, nur Deutschland kann es auch nicht allein lösen. Die Ware ist da, aber teurer geworden. Doch das ist Teil der inflationären Lage, in der wir uns befinden. Es ist kein Verfügbarkeitsproblem, sondern ein Verteilungsproblem. Daher ärgert es mich, dass die Thematik mit Schlagworten so runtergebrochen wird und unsere Bewertung rapide gesunken ist. Ich kann nur eins sagen: Frau Schulze hat Deutschland einen Bärendienst erwiesen. Jetzt müssen andere wieder Geldgeber überzeugen, in Biokraftstoffe zu investieren.
Diese Diskussion, die wieder losgetreten wurde in Bezug auf Verbio, ist absolut überzogen. Es tangiert uns überhaupt nicht, im Gegenteil. Wir sind diejenigen, die die großen Kapazitäten haben für fortschrittliche Biokraftstoffe. Verlieren die Produkte der ersten Generation aufgrund politischer Willkür weiter an Bedeutung, sollte die Nachfrage nach unseren Produkten noch weiter steigen. Dann verdienen wir noch mehr Geld.Vielen Dank für das Gespräch!
In der Vergangenheit musste sich Verbio immer wieder mit politischen Gegenwind auseinandersetzen. Auch daher hat das Management rund um CEO Sauter in den letzten Jahren die Internationalisierung vorangetrieben. Mutige langfristig ausgerichtete Anleger greifen bei der Aktie zu.