Wenn nicht jetzt, wann dann? Selten hat die Klima-Problematik die Welt derart beschäftigt wie im Jahr 2019. Die Gründe dafür sind vielschichtig: Strengere Emissionsvorschriften und gesellschaftlicher Druck zwingen ganze Sektoren zum Umdenken. Eine Branche, die diesen Druck in den kommenden Jahren meiner Meinung nach mit voller Breitseite zu spüren bekommen wird, ist die Schifffahrt. Die Internationale Schifffahrtsorganisation (IMO) setzt seit Kurzem auf eine Auftaktstrategie zur Reduktion von Emissionen auf See. Im Vergleich zum Jahr 2008 sollen im Jahr 2050 etwa 50 Prozent weniger Schadstoffe in die Umwelt geblasen werden.
In der Regel fahren die tonnenschweren Transportmittel mit Schweröl. Das Kreuzfahrtschiff „Aida Nova“ bildet dabei mit einem Flüssiggas-Antrieb die etwas sauberere Ausnahme. Von Emissionsfreiheit sind wir damit jedoch auch meilenweit entfernt. Erste Länder schlagen Alarm: Norwegen plant beispielsweise, Kreuzfahrtschiffe aus den Fjorden zu verbannen. Schon im Frühjahr dieses Jahres schilderte der CEO des schwedischen Brennstoffzellen-Entwicklers PowerCell Per Wassén mir gegenüber diese Problematik: „Norwegen will keine Dieselfähren mehr an den Küsten mit ihren ökologisch sensiblen Gebieten wie den Fjorden. Sie verfügen auch über eine große Fischzuchtindustrie und wollen die Risiken für schiffsbedingte Verunreinigungen minimieren.“
Wie soll das kurz- bis mittelfristig gelingen, wenn aktuell die „Aida Nova“ mit Flüssiggas die sauberste Alternative darstellt und Schiffe mit Brennstoffzellen-Antrieb erst in Projekten erprobt werden? Das gesamte Problem kann auch das Unternehmen, welches ich Ihnen auf den folgenden Seiten vorstelle, nicht gänzlich lösen. Doch die norwegische Gesellschaft kann mit einer Vielzahl an spannenden Technologien einen erheblichen Beitrag dazu leisten, die Schiffe sauberer zu machen. Es handelt sich um Scanship (in Zukunft VOW).
Es kann losgehen
Die Norweger bieten Lösungen für die Rückgewinnung von Abfallressourcen an und können sogar Abfall zu Energie machen. Scanship hat mit den Abwasserreinigungs- und Abfallentsorgungssystemen inzwischen über 100 Kreuzfahrtschiffe ausgestattet. Carnival, Royal Caribbean International oder TUI – nahezu alles, was Rang und Namen im Kreuzfahrt-Business hat, setzt auf Scanship. Neben der norwegischen Zentrale agiert das Unternehmen mit Tochtergesellschaften in Polen und den USA.
Mitte 2019 sorgte Scanship mächtig für Furore mit der Weiterentwicklung der hauseigenen Technologien. Im April dieses Jahres verkündeten die Norweger einen „Durchbruch“ bei der eigens entwickelten MAP-Technologie. Demnach habe Scanship einen Vertrag über die Lieferung ihrer ersten groß angelegten landbasierten industriellen MAP im Rahmen eines Forschungsprogramms zur Herstellung von „Biokohle“ aus der Pyrolyse von organischen Abfällen abgeschlossen. 50 Prozent der Mittel stellt dabei der Norwegische Forschungsrat zur Verfügung, Scanship bleibt allerdings Eigentümer der Anlage. Das Hauptziel des Projekts sei die Schaffung eines nachhaltigen und wertvollen Biokohle-Sorptionsmittels für die Boden-, Luft- und Abwasserbehandlung aus pyrolysierten organischen Abfallfraktionen.
Scanship sorgt nicht nur dafür, dass die tonnenschweren Kreuzfahrt-Kolosse ihre Umweltbilanz verbessern, sondern bietet auch Technologien an, um nachhaltige Produkte aus landbasiertem Abfall herzustellen. Das Thema „Nachhaltigkeit“ spielt Scanship dabei in den aktuellen Klimadebatten klar in die Karten.
Auf Einkaufstour
Zusätzliches Wachstumspotenzial möchte Scanship mit der Übernahme von ETIA erschließen. Kostenpunkt: 19,7 Millionen Euro. Die Verkäufer sind im Rahmen der Transaktion nun Scanship-Aktionäre. Ein enormer Vertrauensbeweis. Mit der ETIA-Technologie planen die Norweger das Portfolio an landbasierten Lösungen zu erweitern, dazu zählen Anlagen zur Abfallverwertung und der fossilfreien Energieerzeugung. Der Zukauf passt meiner Meinung nach ideal in das skalierbare Geschäftsmodell von Scanship – und sollte schon bald für zusätzliche Impulse sorgen.
Aktien in festen Händen
Das Scanship-Management dürfte an einer erfreulichen Kursentwicklung interessiert sein. Schließlich halten sowohl der CEO als auch CDO und COO der Gesellschaft jeweils 10,5 Prozent der Aktien. Größter Einzelaktionär ist die Investmentgesellschaft Ingerø Reiten, weitere 4,3 Prozent befinden sich in den Händen von Trethom AS und sogar Goldman Sachs ist mit 1,9 Prozent bei Scanship involviert. Das hohe Engagement von Insidern und institutionellen Investoren ist für mich ein enormer Vertrauensbeweis in die Zukunft der Gesellschaft, die zuletzt auch operativ wieder überzeugte.
Aufträge ohne Ende
Die Auftragsbücher platzen aus allen Nähten. Per 27. November beliefen sich diese auf 870 Millionen Norwegische Kronen (85,6 Millionen Euro). Mit den Lifecycle-Services (Optionen) beträgt der Bestand sogar 1,46 Milliarden Kronen. Die zuletzt starke Entwicklung ist auf frische Aufträge für Schiffe aus Frankreich und aus der Industrie für einen global agierenden Konsumgüterhersteller für die Pyrolyse-Technologie der zuvor übernommenen ETIA zurückzuführen.
Die Auftragslage stimmt kurz- bis mittelfristig positiv. Ich erwarte von Scanship in den kommenden Quartalen weitere Aufträge und eine dynamische Entwicklung des Auftragsbestandes bis Ende 2020.
Nicht nur die Übernahme und der hohe Auftragsbestand sprechen für die Aktie. Scanship wirtschaftet profitabel. Im dritten Quartal steigerten die Norweger das EBITDA um satte 29 Prozent auf 34,8 Millionen Kronen, die dazugehörige Marge konnte um einen Prozentpunkt auf 12,9 Prozent ausgeweitet werden. Gelingt es Scanship, weitere Skalierungseffekte zu erzielen, sollten mittelfristig EBITDA-Margen von über 15 Prozent realistisch sein.
Für das Geschäftsjahr 2019 rechnen Analysten im Schnitt mit einem Umsatz von 399 Millionen Kronen nach 330 Millionen im Vorjahr. Für 2020 wird ein Anstieg auf satte 608 Millionen Kronen erwartet. Das Ergebnis je Aktie soll dann entsprechend von geschätzten 0,31 Kronen im Jahr 2019 auf 0,59 Kronen klettern. Daraus resultiert ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 35 für das kommende Jahr. Vor dem Hintergrund der zukunftsträchtigen Technologien im Portfolio, der Expansionsfantasie und dem skalierbaren, profitablen Geschäftsmodell ist dies eine absolut faire Bewertung für die Anteilscheine von Scanship. Zu dieser Einschätzung kamen auch jüngst die Analysten von Pareto Securities, welche die Papiere mit einem Kursziel von 23 Kronen zum Kauf empfehlen.
Scanship gehört meiner Meinung nach mit dem breiten Portfolio an sauberen, nachhaltigen Technologien für Schiffe und landbasierte Anwendungen die Zukunft. Noch fliegen die Anteilscheine weit unter dem Radar vieler Investoren. Doch das könnte sich schlagartig ändern. Gelingt es Scanship, den Auftragsbestand weiterhin zu steigern und Margenverbesserungen zu realisieren, sollten die Papiere in neue Dimensionen vorstoßen können. Ich traue der Scanship-Aktie eine Kursverdopplung in den kommenden Monaten auf 4,00 Euro zu. Für Mutige!
Hinweis: Dieser Artikel erschien im Rahmen der Titelstory "5 Profis 5 Wetten auf 100%" in Ausgabe 50/2019, welche Ihnen hier als Download zur Verfügung steht.