Harry Dempsey
Financial Times
Übersetzung: Thomas Steer
Laut dem US-Unternehmen Albemarle wird der Markt in den nächsten sieben bis acht Jahren angespannt bleiben
Autohersteller werden für den Rest dieses Jahrzehnts um die Sicherung des Lithiums kämpfen müssen, das sie benötigen, um die E-Auto-Revolution voranzutreiben. Denn die Nachfrage droht das Angebot zu übertreffen. Davor hat nun einer der größten Lithiumproduzenten gewarnt.
Die Verwendung von Lithium in Elektroauto-Batterien hat den Rohstoff in den Mittelpunkt eines globalen Wettbewerbs gerückt: Die größten Autohersteller der Welt treten hierbei gegeneinander an, und auch Regierungen mischen mit. Sie alle liefern sich einen Wettlauf um die Erhöhung und Sicherung des Angebots.
In diesem Jahr haben Autohersteller von Stellantis bis BMW in Lithium-Start-ups investiert und damit deutlich gemacht, unter welchem Druck die Branche steht. Denn weltweit steigen immer mehr Menschen auf E-Fahrzeuge um. Letzte Woche erklärte General Motors, dass es dem Lithiumproduzenten Livent 200 Millionen Dollar im Voraus zahlen werde, um sich den Rohstoff zu sichern.
Kent Masters ist CEO von Albemarle, dem größten börsennotierten Lithiumproduzenten. Seiner Meinung nach wird der Markt angespannt bleiben – und das trotz der Bemühungen, mehr von dem Metall zu fördern.
„Das betrifft das System für einen ziemlich langen Zeitraum“, sagte Masters über die Herausforderung, vor der die Branche steht. „Der Markt wird sieben bis acht Jahre lang ziemlich angespannt bleiben.“
Albemarle hat seinen Sitz in Charlotte, North Carolina, und zählt Tesla und andere große Autohersteller zu seinen Kunden. Die Prognose des Unternehmens basiert auf einem mehr als achtfachen Preisanstieg für Lithiumverbindungen seit Anfang 2020.
Der Preis hat sich zwar bei dem im April erreichten Rekord von 70.000 Dollar pro Tonne eingependelt; aber da Lithium in Batterien verwendet wird, konnte es dem rezessionsbedingten Rückgang entgehen, von dem viele andere Rohstoffe in den letzten Monaten betroffen waren.
Albemarle profitiert von dem boomenden Markt und hat seine Gewinnprognose in diesem Jahr bereits dreimal angehoben. Außerdem geht das Unternehmen davon aus, dass es seine Produktion steigern und schneller als erwartet einen positiven Cashflow erzielen kann.
Einige Banken und Analyseinstitute sind jedoch weniger optimistisch, was die Entwicklung der Lithiumpreise angeht. Analysten von Goldman Sachs verweisen auf technologische Fortschritte, die in einigen Jahren das Angebot vergrößern könnten.
Lithium ist neben Nickel und Kobalt ein wichtiges Material für E-Auto-Batterien und kann aus Salzwasser, Hartgestein und Ton gewonnen werden. Einige setzen auf die Technologie der direkten Lithiumextraktion: Bei dieser Methode wird das Metall aus Salzwasser gewonnen, ohne dass dafür eine Verdampfung erforderlich ist.
Laut Eric Norris, dem Leiter der Lithiumsparte von Albemarle, überschätze man bei der Hoffnung auf einen Angebotsschub jedoch die Fähigkeit der Produzenten, die Nachfrage der Autohersteller zu befriedigen, die „umfassender, tiefgreifender und beständiger“ geworden sei.
„Nicht viele sind in der Lage, Investitionsprojekte umzusetzen“, sagte Norris und fügte hinzu, dass Lithiumunternehmen in der Vergangenheit aufgrund von chronischen Verzögerungen und technischen Pannen bis zu 25 Prozent weniger produziert haben, als sie für ein bestimmtes Jahr versprochen hatten.
Von einer ersten Machbarkeitsstudie bis zur tatsächlichen Produktion vergehen bei Projekten zur Lithiumgewinnung in der Regel zwischen 6 und 19 Jahren. Laut einem Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) vom letzten Monat wird von allen Technologien, die bei E-Auto-Batterien zum Einsatz kommen, für diesen Prozess die längste Zeit benötigt.
Der IEA zufolge werden bis 2030 weltweit 60 weitere Lithiumminen benötigt, um alle Pläne der Landesregierungen zur Dekarbonisierung und Umstellung auf E-Fahrzeuge zu verwirklichen.
Ein Mangel an Halbleiterchips ist in den letzten 18 Monaten das größte Hindernis für die Autohersteller gewesen. Da diese jedoch im Bereich der E-Mobilität immer ambitionierter werden, wird die Sicherung von Lithium zunehmend zu einem Problem.
„Die Verfügbarkeit von Lithium ist eine ernsthafte Herausforderung“, sagte Chris Berry, Gründer von House Mountain Partners, einem Beratungsunternehmen für Batteriemetalle. „70.000 Dollar [pro Tonne] – das ist eine heikle Zahl.“
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