Die Biden-Euphorie mit Aussicht auf neue Konjunktur-Stimuli und Neuaufnahme von wirtschaftlichen Beziehungen zum Ausland sorgte für stabile Börsen. Auch in Deutschland kletterten viele Aktienkurse, MDAX und SDAX markierten neue Rekordhöhen. Kurzfristig könnte die Luft nun dünner werden. Droht dem DAX eine größere Korrektur? Der Wochenausblick.
Joe Biden wird die Hand auch wieder Richtung Deutschland ausstrecken. Jedoch werden auch Gegenleistungen erwartet. Jens Südekum etwa, Ökonom an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, sagte laut Handelsblatt, Biden werde Europa und insbesondere Deutschland unter Druck setzen, selber mehr für die globale Nachfrage zu tun. Er werde auch generell mehr Importe und den Abbau des notorischen Leistungsbilanz-Überschusses fordern. Ansonsten bleibt die Corona-Lage mit den Mutationen des Virus im Fokus.
Vor dem Wochenende hatte sich die Anleger bereits pandemiebedingt bei deutschen Aktien bedeckt gehalten. Lediglich Kursgewinne bei Volkswagen und vor allem Siemens nach guten Eckdaten sorgten dafür, dass der DAX letztlich nur milde auf 13.874 Punkte nachgab. In der Wochenbilanz konnte er geprägt vom Machtwechsel in den USA ein Plus von 0,6 Prozent über die Ziellinie bringen.
Der MDAX markierte am Donnerstag ein neues Rekordhoch und ging letztlich bei 31.635 Zählern ins Wochenende. Die Bilanz der vergangenen fünf Tage: ein Plus von 1,9 Prozent.
Als Belastung an den Finanzmärkten galt zu Wochenschluss einmal mehr die in vielen Ländern angespannte Infektionslage mit der Sorge vor Mutationen sowie längeren und verschärften Lockdowns. Marktanalyst Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets beobachtete aber wieder das alte Muster, bei dem Anleger jeden Rücksetzer zum Einstieg nutzen. Er sieht darin ein Indiz für einen nach wie vor robusten Aufwärtstrend am Markt.
Hohe Erwartungen
In der neuen Woche wird sich der deutsche Aktienmarkt wohl weiter an der hoch gesteckten Erwartungshaltung der Anleger messen lassen müssen. Im Fokus stehen dürfte die Entwicklung in den USA mit den ersten Schritten. Marktbeobachter sprechen neuerdings von einer "blauen Welle", auf der die Anleger ritten, angelehnt an der Parteifarbe der Demokraten.
Laut dem Marktexperten Robert Halver von der Baader Bank wird an den Aktienmärkten die Zukunft bezahlt - mit einem erhofften Wirtschaftsaufschwung ab Mitte des Jahres. Möglicherweise könnten vor diesem Hintergrund Lockdown-bedingt schlechtere Wirtschaftsdaten zeitweise das Anlegergemüt trüben und zwischenzeitliche Gewinnmitnahmen bedingen. "Dramatische Kurseinbrüche sind jedoch nicht zu erwarten. Der Konjunkturoptimismus großer institutioneller Anleger bleibt hoch", so Halver.
Corona-Pandemie als Damoklesschwert
Die Corona-Krise bleibt dennoch wie ein Damoklesschwert über der Börse hängen. Der Lockdown in Deutschland wurde verlängert und die Infektionszahlen bleiben ein schwieriges Thema. Der europäische Impfstoff-Pionier BioNTech und sein Partner Pfizer werden nun für eine Woche weniger Dosen liefern, sodass bedeutende Impf-Fortschritte in Deutschland auf den Februar vertagt werden dürften.
Auch der Pharmakonzern AstraZeneca liefert bis Ende März rund 60 Prozent weniger Corona-Impfstoff an die EU als geplant. Grund sei eine geringere Produktion an einem Standort in der europäischen Lieferkette. Zudem solle der Impfstoff nach den Mutationen in einigen Ländern angepasst werden.
Laut Helaba-Volkswirtin Claudia Windt dämpft die "Verschärfung Light" des gegenwärtigen Lockdown in Deutschland die Erwartungen an das Wirtschaftswachstum im ersten Quartal. Einen Lichtblick sieht die Expertin aber in den mancherorts rückläufigen Neuinfektionen - vor allem in den USA und Großbritannien, aber auch in Deutschland. Das Gegenteil sei aber etwa in Portugal der Fall.
Berichtssaison in den USA geht "in die Vollen"
Anlagestratege Chris-Oliver Schickentanz von der Commerzbank blickt auf die Vereinigten Staaten, wo die Berichtssaison "jetzt in die Vollen geht". In den kommenden Tagen würden von fast der Hälfte der Werte im Dow Jones Industrial die Zahlen zum Schlussquartal 2020 erwartet. Mit dabei sind zum Beispiel Apple, Facebook, Microsoft und Tesla.
Banken hatten die Saison eingeläutet mit einigen positiven Überraschungen. Diese dürften laut Schickentanz nun aber immer schwerer fallen und die Marktauswirkungen begrenzter bleiben.
Auch in Europa werden die Zahlen erster Schwergewichte erwartet, Eckdaten sind von einigen ja schon bekannt. Siemens und Volkswagen etwa hatten vor dem Wochenende mit starken vorläufigen Zahlen bereits eine positive Duftmarke gesetzt.
Am Montag berichten zunächst Philips, am Dienstag unter anderem die Großbank UBS und der Luxus-Konzern LVMH, am Mittwoch die Software AG sowie Laborausrüster Sartorius. Am Donnerstag lenkt dann STMicroelectronics die Blicke auf den Chip-Sektor. Und am Freitag sind unter anderem Geschäftszahlen von SAP vorgesehen.
Gespaltene Konjunktur?
Konjunkturell gilt in der neuen Woche das Ifo-Geschäftsklima gleich am Montag als erste wichtige Veröffentlichung. Laut den Dekabank-Experten um Chefvolkswirt Ulrich Kater dürfte das Ifo-Barometer "eine gespaltene Konjunktur zeigen" - mit einer starken Industrie auf der einen und den darbenden Dienstleistern auf der anderen Seite. Ihrer Einschätzung nach dürfte der Lockdown in der Lagebeurteilung seine Spuren hinterlassen.
Ansonsten steht am Mittwoch der nächste Zinsentscheid der US-Notenbank Fed auf der Agenda. Experten erwarten keine Änderungen. Laut dem Baader-Experten Halver wird die Fed ihre Bereitschaft zur weiteren Konjunkturstützung signalisieren. Das an den Märkten diskutierte Thema einer Reduzierung der Anleihekäufe sei eine Phantom-Diskussion. "Zinsen werden nicht zum natürlichen Feind der Aktien", so Halver. (Mit Material von dpa-AFX)
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