Die meisten Analysten sahen nach den Quartalszahlen von Wirecard und den Äußerungen des Top-Managements zur laufenden Bilanz-Sonderprüfung zunächst keinen Anlass, ihre Einschätzung für die Aktie zu ändern. Doch Goldman Sachs wird nun etwas vorsichtiger.
In einer aktuellen Studie hat Analyst Mohammed Moawalla zwar sein „Buy“-Rating für die Wirecard-Aktie bestätigt, das Kursziel aber von bisher 230 auf 175 Euro deutlich gesenkt. Die Kurszielsenkung reflektiere die Wahrscheinlichkeit, dass am Markt verschiedene Risiken eingepreist würden, etwa in Bezug auf die Ergebnisse der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und Untersuchungen in Singapur, so die Begründung.
Die weitere Kursentwicklung bei Wirecard hänge maßgeblich von deren Ausgang ab, so der Analyst. Die Zwischenbilanz für das dritte Quartal habe derweil weitgehend seinen Erwartungen entsprochen und die anhaltend robuste Wachstumsdynamik des Zahlungsabwicklers bestätigt.
Bis vor Kurzem zählte Goldman-Analyst Moawalla zu den größten Wirecard-Bullen. Doch bereits vor vier Wochen hatte er den DAX-Titel aus der Favoritenauswahl „Conviction Buy List“ gestrichen und stattdessen den niederländischen Rivalen Adyen aufgenommen (DER AKTIONÄR berichtete).
Kaum Handlungsbedarf
Während US-Investmentbank ihre Erwartungen damit erneut angepasst hat, sahen die Analysten vieler anderer Institute zunächst keinen Handlungsbedarf. So hat die Commerzbank ihre Kaufempfehlung mit einem Kursziel von 230 Euro kurz nach Veröffentlichung der Zahlen bestätigt.
Richard-Maxime Beaudoux von Société Générale hatte bereits kurz nach den Zahlen sein „Buy“-Rating mit einem fairen von 271 Euro erneuert. Gemessen am Kursziel ist er damit der größte Optimist unter den 29 Experten, die nach Daten von Bloomberg die Wirecard-Aktie covern.
Wie realistisch sind die Mega-Kursziele?
Zwar konnte sich die Aktie etwas vom Kursrutsch Mitte Oktober erholen, aktuell dümpelt sie jedoch im Bereich von 120 Euro. Daran konnten auch der anhaltend positive Newsflow zum operativen Geschäft nichts ändern.
Auf diesem Niveau entspricht das Commerzbank-Kursziel über 90 Prozent Kurspotenzial. Das Mega-Kursziel von Société Générale signalisiert auf 12-Monats-Sicht sogar rund 125 Prozent Aufwärtspotenzial.
Das wirft die Frage auf, wie realistisch solche Kursziele angesichts der Kursentwicklung der vergangenen Monate noch sind. Und ob vor diesem Hintergrund nun eine größere Neubewertung der Wirecard-Aktie bevorsteht.
Hemmschuh für die Kursentwicklung
Klar ist: Die wiederholten Bilanz-Vorwürfe und die draus resultierenden Untersuchungen überschatten seit Monaten die positive operative Entwicklung des Zahlungsabwicklers. Die laufende Sonderprüfung kann diese Zweifel im Idealfall ausräumen und womöglich den Startschuss für eine kräftige Erholungsrallye samt Short-Squeeze liefern. Doch selbst in diesem Fall hält DER AKTIONÄR einige der Kursziele auf mittlere Sicht für zu hoch gegriffen.
Mit Ergebnissen wird zudem erst in einigen Monaten gerechnet und selbst dann ist noch offen, ob der erhoffte Freispruch das Thema „wirklich zu einem Ende bringt“, wie Vorstandschef Markus Braun es in der Analystenkonferenz nach den Zahlen formulierte.
Die Unsicherheit bleibt in der Zwischenzeit hoch und die Wirecard-Aktie aus diesem Grund auf der Beobachtungsliste.
Mit Material von dpa-AFX.
Hinweis nach §34 WPHG zur Begründung möglicher Interessenkonflikte: Aktien oder Derivate, die in diesem Artikel besprochen / genannt werden, befinden sich im "Real-Depot" von DER AKTIONÄR.