Dass die europäische Automobilbranche – allen voran Volkswagen – tief in der Krise steckt, ist mittlerweile kein Geheimnis mehr. Die Wolfsburger wollen aufgrund der schwachen Nachfrage massiv sparen, Entlassungen und Werkschließungen stehen im Raum. Doch auch eine zukunftsweisende Plattform steht jetzt wohl auf der Kippe.
Wie das manager magazin am Donnerstag unter Verweis auf eigene Recherchen berichtete, erwägt VW als Investitionsbudget für die nächsten fünf Jahre nur noch 160 statt 180 Milliarden Euro freizugeben. Finanzvorstand Arno Antlitz wird den Investitionsplan noch im Herbst vorstellen.
Neben Einsparungen beim Personal in der Verwaltung und vor allem der Entwicklung stehe laut Bericht auch die Plattform MEB+ auf der Kippe. Statt der milliardenschweren Weiterentwicklung der MEB-Plattform wolle VW nun direkt auf die Zukunftsarchitektur SSP setzen. Bis dahin wird allerdings noch viel Zeit vergehen. Irgendwann ab 2028 sollen Antlitz zufolge die ersten Fahrzeuge auf Basis der Plattform kommen.
MEB+ war ursprünglich als Nachfolger und Weiterentwicklung der Elektro-Plattform MEB (Modularer E-Antriebs-Baukasten) geplant. Die Plattform versprach größere Reichweiten, schnellere Ladezeiten und höhere Effizienz und sollte eine Flexibilität für unterschiedliche Modelle bieten. Unter anderem die in die Jahre geratenen Elektromodelle ID.3 und ID.4 sollten mit MEB+ ein Upgrade erhalten.
Nun scheint VW, die Entwicklung ad acta zu legen. Stattdessen setzen die Wolfsburger nun auf die SSP-Architektur (Scalable Systems Platform). Diese soll alle Antriebsarten auf einer Plattform vereinen, verspricht mehr Kosteneffizienz und eine vereinfachte Produktion. Zudem soll sie über eine verbesserte Software-Integration verfügen. Aufgrund der Software kam es allerdings schon mehrfach zu Verzögerungen bei der Plattform und daher auch bei wichtigen Modellen. Nun sollen die ersten Fahrzeuge auf dieser Basis also 2028 – mindestens drei Jahre später als geplant – erscheinen.
Ein zweischneidiges Schwert
Sollte VW diesen Schritt wirklich gehen, begibt sich der Konzern auf einen schmalen Grat. Einerseits ergibt es Sinn, bei der Elektroplattform zu sparen und die Modellauffrischungen hintenanzustellen. Die Nachfrage nach den Stromern ist enttäuschend, das dürfte sich auch mit einem überarbeiteten ID.3 oder ID.4 nicht ändern.
Andererseits droht VW mit seinen Stromern, die ohnehin nicht sonderlich aktuell sind, weiter ins Hintertreffen zu geraten. Andere Marken könnten sich beim Kunden in den Vordergrund spielen. Zudem könnte die Nachfrage weiter einbrechen und VW sich schwertun, die CO2-Flottenziele der EU zu erreichen. Das wiederum hätte hohe Strafzahlungen zur Folge.
Bei den Volkswagen-Vorzügen sind nach dem scharfen Abverkauf sicherlich schon viele der Probleme im Kurs eingepreist. Allerdings ist in der Branche, vor allem aber bei den Wolfsburgern, aktuell keine Besserung in Sicht. Anleger bleiben an der Seitenline.
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Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Volkswagen Vz..