Nach monatelangen Verhandlungen und vielen Zugeständnissen gibt die EU-Wettbewerbsbehörde nun grünes Licht: Die Deutsche Lufthansa darf zunächst 41 Prozent an der italienischen ITA Airways übernehmen. 325 Millionen Euro macht Europas größte Fluggesellschaft dafür locker. Längerfristig bekommt Lufthansa ein sechstes Drehkreuz. Kurzfristig steigt die Aktie.
Lufthansa Group, ITA Airways und die italienische Regierung auf der einen und die Europäische Kommission auf der anderen Seite haben ihre Differenzen ausgeräumt. Brüssel hat sein offizielles Einverständnis gegeben.
Schon seit 2017 versuchte Lufthansa zuerst Alitalia und später dann den Nachfolger ITA Airways zu übernehmen. Obwohl sich alles Seiten zuletzt bereits weitgehend einig waren, blockierte die EU-Kommission den Deal. Beide Airlines sollten Slots am Flughafen Mailand Linate abgeben, die wohl vorrangig von EasyJet übernommen werden.
Dann forderte man weitere Zugeständnisse insbesondere auf den Strecken von Italien nach Nordamerika. Letzte Bedenken der Kartellbehörde wurden in der vergangenen Woche von der Lufthansa mit einem Vorschlag zur Wettbewerbssicherung auf der Langstrecke entkräftet. Laut Insidern hat Lufthansa zugestimmt, einem Konkurrenten den Markteintritt auf Nonstop-Linien aus Rom nach Washington, Chicago, San Francisco und Toronto zu erleichtern. Das berichtete das Portal aero.de.
Lufthansa darf nun im Gegenzug aber auch sofort ITA Airways in das transatlantische Joint Venture um United Airlines, Air Canada und Lufthansa integrieren, was die Erlöse von ITA Airways auf den Nordamerika-Strecken deutlich verbessern dürfte. Zudem wird ITA Airways wohl auch in das Miles&More Vielfliegerprogramm übernommen und wechselt in die Star Alliance.
Die Lufthansa-Aktie zeigt sich am Mittwoch mit Kursaufschlägen. Kurz nach der (vielfach bereits erwarteten) Freigabe des ITA-Deals steht der MDAX-Wert etwa zwei Prozent über Vortags-Xetra-Schluss bei nun 5,87 Euro.
Bedenken der EU-Wettbewerbshüter
Nach Meinung vieler Experten ist ITA allein nicht überlebensfähig. Im Heimatmarkt wurde sie von Billigfliegern wie Ryanair und EasyJet in die zweite Reihe gedrängt. Auf den gewinnbringenden Strecken über den Atlantik tut sie sich schwer, gegen die Macht der sehr viel größeren US-Anbieter anzukommen. Das ist in einem starken Verbund wie mit der Lufthansa erheblich einfacher, wie auch die EU-Kommission anerkannt hat.
Gerade an diesem Punkt hatten die EU-Wettbewerbshüter Bedenken angemeldet, weil Lufthansa über dem Nordatlantik in einem Joint Venture auch Absprachen mit United und Air Canada trifft. Auf dem lukrativsten Luftverkehrsmarkt der Welt sind aber auch sämtliche anderen US-Carrier sowie die europäischen Lufthansa-Konkurrenten IAG um British Airways und Air France-KLM aktiv. Die Kommission war im März überzeugt, dass der von anderen Fluggesellschaften ausgehende Wettbewerbsdruck auf Strecken zwischen Italien und den USA sowie von und nach Kanada sowie Japan vernachlässigbar sei.
Zudem hatten die EU-Beamten Bedenken, dass sich bei der Lufthansa auch auf Kurzstrecken zwischen Italien und mitteleuropäischen Ländern zu viel Marktmacht konzentrieren könnte. Konkurrenz gebe es zwar - in erster Linie durch Gesellschaften wie Ryanair – solche Billigfluggesellschaften starteten aber oft von abgelegenen Flughäfen. Lufthansa ist auch seit Jahren mit der eigenen Regionalgesellschaft Air Dolomiti in Norditalien aktiv.
Die günstig bewertete Lufthansa-Aktie hängt weiterhin im Tal der Tränen nahe dem tiefsten Niveau seit Oktober 2022. Solange der kurzfristige Abwärtstrend (aktuell bei etwa 5,88 Euro) nicht nachhaltig überwunden wird, muss sogar mit weiteren Kursrückgängen Richtung 5,40/5,50 Euro gerechnet werden. Auf diesem Niveau fand die Lufthansa-Aktie in den vergangenen Jahren immer wieder technische Unterstützung. Fazit: Anleger bleiben bis zu einem Kaufsignal außen vor.
(Mit Material von dpa-AFX)
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Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Deutsche Lufthansa.