Ein spektakulärer Studienerfolg von Kite Pharma lässt die Biotech-Szene aufhorchen. Gen- und Krebsimmuntherapien können die Medizin revolutionieren. Zu den aussichtsreichsten Firmen in diesem Forschungsbereich zählt der Medigene-Partner Bluebird Bio.
Seit Jahrzehnten forschen unzählige Biotech-Gesellschaften an neuen Behandlungsmethoden gegen Krebs. Dank vieler zugelassener Medikamente stehen die Zeichen auf Heilung nach einer Erkrankung besser denn je. Dennoch braucht es neue Therapien, die es auch ermöglichen, heimtückische, bösartige Krebsarten erfolgreich zu behandeln. Vor Kurzem gelang es Kite Pharma aus den USA, mit dem Ansatz der Krebsimmuntherapie neue, bahnbrechende Studienergebnisse zu präsentieren. Kite-CEO Arie S. Belldegrun bezeichnete die Studiendaten als „den größten Durchbruch in der Krebstherapie seit der Einführung der Chemotherapie vor über 60 Jahren“.
Anleger honorierten die Fortschritte mit einem rasanten Kursanstieg von knapp 50 Prozent binnen drei Tagen. Circa eine Woche vor den phänomenalen Studienergebnissen hatte DER AKTIONÄR Kite Pharma als potenzielles Übernahmeziel von Gilead vorgestellt und auf mögliche Impulse durch positive Neuigkeiten aus der Pipeline hingewiesen. Gut möglich, dass andere Biotech-Firmen, die ebenfalls an vergleichbaren Krebsimmuntherapien forschen, mittelfristig ähnliche Erfolge verzeichnen können. Zu den aussichtsreichsten Biotech-Unternehmen in diesem Forschungsbereich zählt unter anderem der Medigene-Partner Bluebird Bio.
Vielversprechende Therapieansätze
Medigene-Aktionären ist die amerikanische Gesellschaft sicherlich ein Begriff, denn im November letzten Jahres schlossen die Deutschen mit Bluebird eine strategische Partnerschaft zur präklinischen Entwicklung von T-Zell-Rezeptoren (TCRs) zur Krebsimmuntherapie. Mit Celgene (größte Beteiligung im Portfolio der Schweizer Beteiligungsgesellschaft BB Biotech) und Kite Pharma kann Bluebird auf zusätzliche Unterstützung und Expertise im Segment der Krebsimmuntherapie setzen.
Größter Hoffnungsträger ist bb2121, ein Produktkandidat auf CAR-T-Basis. Diese Therapieform (siehe Abbildung auf Seite 14) bescherte zuletzt Kite Pharma die sensationellen Studienergebnisse. Kein Wunder, dass sich Celgene bereits in einer frühen Phase der klinischen Entwicklung zur Behandlung des Multiplen Myeloms (Form des Non-Hodgkin-Lymphoms) die Rechte an bb2121 gesichert hat. Schließlich trauen Experten dem Wirkstoff ein Umsatzpotenzial von 3,6 Milliarden Dollar zu. Doch die Krebsimmuntherapie stellt nur ein Standbein von Bluebird Bio dar.
In der Pipeline befinden sich weitere Produktionskandidaten in der klinischen Entwicklung, welche einen völlig anderen Therapieansatz verfolgen – den der Gentherapie. Diese Form ist allerdings höchst umstritten. Im Rahmen der Gentherapie werden Korrekturen von fehlerhaften Genen in der DNA vorgenommen, was anschließende Krebserkrankungen beziehungsweise Immunreaktionen zur Folge haben kann. Bluebird konnte jedoch erste positive Ergebnisse mit diesem Therapieansatz erzielen.
Hoffnungen ruhen auf Gentherapie
Zu den größten Hoffnungsträgern der US-Biotech-Firma zählen die Wirkstoffe Lenti-D und LentiGlobin, welche per Gentherapie gegen seltene Erkrankungen des zentralen Nervensystems und Hämoglobinopathien (Störung des Hämoglobin-Haushalts im Blut) erforscht werden. Bei beiden Wirkstoffen besitzt Bluebird die weltweiten Lizenzrechte. Allein für die beiden Indikationen mit LentiGlobin wird Bluebird ein Umsatzpotenzial von rund vier Milliarden Dollar nachgesagt.
Wenn die nächsten Studiendaten überzeugen und auch die zuständigen Zulassungsbehörden grünes Licht geben, könnte die Biotech-Gesellschaft im Jahr 2018 beziehungsweise 2019 erste Umsätze mit den beiden Hauptprodukten generieren. Trotzdem bleibt es zum Break-even ein weiter Weg. Vor 2020 dürfte Bluebird nicht in die Gewinnzone vordringen – trotz möglicherweise stark anziehender Verkäufe im Falle von zügigen Marktzulassungen. Zu hoch sind die laufenden Forschungs- und Entwicklungskosten.
Bis 2019 durchfinanziert
Auch wenn bisher keine nennenswerten Umsätze generiert werden, steht Bluebird finanziell aktuell auf einem soliden Fundament. In den vergangenen Jahren konnte Bluebird per Kapitalerhöhungen frisches Geld einsammeln. Im Dezember füllte sich die Kasse durch eine Kapitalmaßnahme um rund 250 Millionen Dollar. Bis in das Jahr 2019 sollten die Cash-Reserven laut „Chief Bluebird“ Nick Leschky ausreichen. Im Fokus bleiben bis dahin die klinische Weiterentwicklung sowie bei positiven Resultaten die Vorbereitungen auf mögliche Zulassungen in den USA und Europa.
In diesem Jahr stehen gleich bei allen vier laufenden klinischen Entwicklungen Studiendaten an. Bluebird steht de facto vor einem richtungsweisendenahr. Kann die Biotech-Firma an die bisherigen Erfolge anknüpfen, dürfte der Aktienkurs von Bluebird regelrecht nach oben durchstarten. Doch negative Überraschungen sind bei einem Biotech-Hot-Stock wie Bluebird Bio auch jederzeit möglich.
Da die Pipeline von Bluebird in der Breite bei Weitem nicht so gut bestückt ist wie die von Amgen oder Celgene zum Beispiel, werden sich positive beziehungsweise negative Meldungen extrem stark auf den Kurs der Aktie von Bluebird Bio auswirken. Die Vergangenheit hat es gezeigt: Gegen Ende 2014 präsentierte die Firma positive Daten zu LentiGlobin bei Patienten mit Beta-Thalassämie (erbliche Störung des Hämoglobins, die ohne regelmäßige Blutübertragungen zum Tod führt). Daraufhin explodierte die Aktie um über 50 Prozent an einem Tag. Der Grundstein für eine fulminante Aufwärtsbewegung bis auf rund 197 Dollar war gelegt.
Doch dann der Schock: LentiGlobin zeigte bei schwerwiegenderen Erkrankungen von Beta-Thalassämie nicht die gewünschten Resultate. Andere Biotech-Unternehmen holen weiter auf – die Angst vor konkurrierenden Wirkstoffen setzt die Aktie extrem unter Druck. Dazu gesellten sich unerwartet schwache Zahlen von Bluebird – und Hillary Clinton, die Ende 2015 mit negativen Aussagen zu den Medikamentenpreisen für Furore und damit für eine anhaltende Sektorschwäche sorgte.
Doch heute steht Bluebird Bio wesentlich besser da als 2015. Neben der verbesserten finanziellen Lage hat sich auch die Pipeline der Firma enorm weiterentwickelt. Der „blaue Vogel“ könnte 2017 zurück in die Erfolgsspur finden und zum erneuten Höhenflug ansetzen. Auch JPMorgan traut der Bluebird-Bio-Aktie noch einiges zu. Das Kursziel der Kaufempfehlung beläuft sich aktuell auf satte 118 Dollar.
Hochspekulative Comeback-Story
Nach dem Horror-Absturz in der zweiten Jahreshälfte 2015 hat sich der Biotech-Titel gefangen und befindet sich wieder auf dem Weg nach oben. Sollten die anstehenden Studiendaten durchweg positiv ausfallen, dürfte sich die Aufwärtsdynamik bei Bluebird fortsetzen. Kurzfristig profitierte das Papier bereits von den starken Studiendaten aus dem Hause Kite. Da Bluebird mit dem gleichen Therapieansatz forscht, stehen die Chancen nicht schlecht, dass der Hot-Stock ebenfalls mit positiven Neuigkeiten bei der CAR-T-Zell-Therapie aufwarten kann. Risikobewusste Anleger können auf dem aktuellen Niveau eine Position mit Stopp aufbauen, sollten sich jedoch auf volatile Zeiten einstellen.
Hinweis: Dieser Artikel erschien bereits in der Ausgabe 11/2017 von DER AKTIONÄR als Hot Stock der Woche.