Broadcom will Qualcomm – das steht seit dem ersten Angebot vom 6. November fest. Doch Qualcomm hält die Offerte von 70 Dollar pro Aktie für unterbewertet. Jetzt berichten Insider, dass Broadcom nachlegen will. In einer ersten Reaktion springen die Qualcomm-Anteile um zwei Prozent nach oben.
Laut den Insidern hat Broadcom mit den größten Anteilseignern von Qualcomm in Verbindung gesetzt und will nun das Übernahmeangebot erhöhen. Wie viel mehr geboten werden soll, sei jedoch noch nicht entschieden. Ursprünglich bot Broadcom 70,00 Dollar in bar und eigenen Aktien – die Offerte hätte damit inklusive Schulden ein Volumen von 130 Milliarden Dollar umfasst.
Beim potentiellen Deal handelt es sich somit um eine der größten Übernahme aller Zeiten. Nur die Deals zwischen Mannesmann und Vodafone beziehungsweise zwischen AOL und Time Warner waren umfangreicher. Möglich wird die Übernahme in der hochbewerteten Chip-Branche nur, da Qualcomm und Apple einen Streit um Lizenzgebühren führen. Die Zulieferer des Smartphone-Giganten verweigern seither die Zahlungen an den Chip-Hersteller – das drückte den Aktienkurs massiv. Die Qualcomm-Aktie entwickelte sich in den vergangenen 1/3/5 Jahren um rund 50/100/250 Prozent schwächer als der Benchmark des Philadelphia Semiconductor Index.
Das niedrige Kursniveau dürfte jetzt der Grund für das Nachbessern des Angebots sein. Einige Qualcomm-Aktionäre sind der Meinung, dass der Kurs nicht den wahren Wert des Unternehmens wiederspiegelt. Denn das Management kündigte an, ohne den Rechtsstreit rund zehn Milliarden Dollar im Jahr durch Lizenzzahlungen zu erlösen. Das würde einen Gewinn je Aktie von etwa acht Dollar bedeuten – verglichen mit den 2,47 Dollar im vergangenen Geschäftsjahr eine regelrechte Gewinnexplosion. Ein Verkauf zu 70,00 Dollar dürfte für sie daher keinesfalls in Frage kommen.
Für Broadcom dagegen wäre der Zukauf für 70,00 Dollar ein Schnäppchen. Beide Konzerne vertreiben ähnliche Produkte – insbesondere im Bereich Wi-Fi und Bluetooth überlappen sich die Geschäfte. Mit den Anteilen von Qualcomm würde Broadcom rund 60 Prozent des Wireless-Marktes halten und könnte im Kerngeschäft deutlich Kosten einsparen. Zeitgleich kauft der Chip-Hersteller wichtige LTE- und 5G-Technologien, die ihn noch präsenter auf Smartphones machen. Doch genau das könnte den Wettbewerbshütern nicht gefallen – insbesondere da Qualcomm bereits jetzt wegen Ausnutzung der Marktmacht einen Streit mit Kartellbehörden und Kunden führt. Denn der neue Konzern wäre auf dem Smartphone-Markt noch einflussreicher.
Regulatorische Hürden und der zu niedrige Preis stehen der größten Übernahme aller Zeiten entgegen. Ob ein höheres Angebot die Qualcomm-Aktionäre zufriedenstellen kann, bleibt offen. Aktuell notiert die Qualcomm-Aktie unter dem Angebot von 70,00 Dollar.
Fest steht dagegen: Der Chip-Markt bleibt in Bewegung. Neue Branchentrends wie das vernetze Auto/Haus, Data-Center und Künstliche Intelligenz machen es nötig, sich neu zu positionieren. So explodierte im Jahr 2015 der Gesamtwert aller Übernahmen auf rund 140 Milliarden Dollar. Seitdem sind Toshiba, NXP, Broadcom, ARM, Altera, Linear Technology, Freescale nur eine unvollständige Aufzählung milliardenschwerer Übernahmeangebote.
Broadcom und Qualcom sind keine Empfehlungen des AKTIONÄR. Top positioniert in der Halbleiterbranche sieht der AKTIONÄR seine laufenden Empfehlungen AMD (-6,4% seit Empfehlung in Ausgabe 35/17), Infineon (+150% seit 42/15), Intel (+22% seit 35/16), Nvidia (+18% seit 39/17), NXP (+20% seit 23/16), Siltronic (+517% seit 39/16), Sumco (+20% seit 46/17), Texas Instruments (+20% seit 48/16) und Xilinx (+10% seit 02/17).