Angesichts des Kriegs in der Ukraine bleibt die Energiesicherheit in Deutschland und Europa ein Thema, das auch Anleger bewegt. Die Gazprom-Aktie kann nur noch in Moskau gehandelt werden. Das Gas des russischen Staatskonzerns fließt nicht mehr über die Nord-Stream-Verbindung. Nun hat sich Alexej Miller, Chef von Gazprom, geäußert.
„Der Winter kann relativ warm sein, aber dann wird es eine Woche oder fünf Tage lang ungewöhnlich kalt sein, und es ist möglich, dass ganze Städte und Landstriche, Gott bewahre, frieren werden“, sagte Miller auf der russischen Energiewoche in Moskau. Die europäischen Gasspeicher seien derzeit zwar zu etwa 91 Prozent gefüllt. Doch beispielsweise die deutschen Speicher seien gerade einmal ausreichend für zwei, maximal zweieinhalb Monate Verbrauch. Im März, wenn die Speicherentnahmen üblicherweise enden, würden sie den pessimistischsten Annahmen zufolge nur noch zu fünf Prozent gefüllt sein. Im Winter 2023 und 2024 werde „klar sein, dass die Energiekrise nicht von kurzer Dauer sein wird“. Die höheren Gaspreise könnten zudem die Deindustrialisierung Europas zur Folge haben, so Miller.
Putins Angebot
Russlands Präsident Wladimir Putin hat nach den Lecks an der Ostsee-Pipeline Nord Stream Gaslieferungen durch den noch betriebsfähigen Strang der Pipeline Nord Stream 2 angeboten. „Man muss nur den Hahn aufdrehen“, sagte Putin heute – ebenfalls bei einem Auftritt auf der russischen Energiewoche. Die Röhre sei wohl nicht so beschädigt worden, dass sie nicht mehr genutzt werden könne, sagte er. Auch Miller sagte, die russische Seite könne sofort mit Gaslieferungen beginnen.
An den beiden Röhren von Nord Stream 1 und einer Röhre von Nord Stream 2 in der Ostsee waren nach Explosionen Ende September schwere Beschädigungen entdeckt worden.
Russland hatte Anfang September die Gaslieferungen über die Pipeline Nord Stream 1 mit dem Verweis auf technische Probleme eingestellt, die angeblich wegen Sanktionen nicht zu beheben seien. Die fertig gestellte, aber nicht zertifizierte und nie in Betrieb genommene Leitung Nord Stream 2 liegt wegen Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine auf Eis. Russland drängt seit Monaten auf die Inbetriebnahme.
Putins Drohung
Zugleich drohte Putin heute angesichts des geplanten Ölpreisdeckels in der EU mit einem Lieferstopp. „Russland wird nicht gegen den gesunden Menschenverstand handeln und für das Wohlergehen anderer bezahlen", sagte er. „Wir werden keine Energieressourcen an Länder liefern, die ihre Preise begrenzen.“ Die EU hatte zuletzt formal weitere Russland-Sanktionen beschlossen, darunter einen Ölpreisdeckel.
Miller hat Risiken angesprochen, die auch auf westlicher Seite als Risikofaktoren gesehen werden. Da sich Russlands Führung jedoch seit Monaten vor der Welt als barbarisches Regime präsentiert und sich zudem vor den Pipeline-Lecks als sehr unzuverlässiger Geschäftspartner erwiesen hat, ist es äußerst fraglich, ob durch Nord Stream je wieder Erdgas fließen wird. Die Frage der Energiesicherheit dürfte ein langfristiger Belastungsfaktor für die Börsen bleiben. Einige Beobachter spekulieren zwar bereits seit Monaten auf einen baldigen Kompromiss im Ukraine-Krieg, in der Praxis ist die Situation jedoch zunehmend eskaliert.
Hinweis: Die Kursstellung bei der Gazprom-Aktie ist nicht aktuell. Sie basiert auf dem zuletzt festgestellten Kurs im deutschen Handel.
(mit Material von dpa-AFX und Bloomberg)