Eine der größten Hürden, um das Überleben Steinhoffs nach dem Milliarden-Bilanzskandal und dem extremen Kursverfall zu sichern, sind die Klagen geschädigter Anleger. Offiziell war diesbezüglich zuletzt wenig Neues zu hören. DER AKTIONÄR hat sich bei den Beteiligten umgehört. Dabei hat sich ein mögliches Szenario zur Lösung der Rechtsstreitigkeiten herauskristallisiert.
Auf Klägerseite gibt es die niederländische Vereniging van Effectenbezitters, die allerdings vergleichsweise wenig Kapital vertritt. In Südafrika und Deutschland sind Anwälte tätig, die auch institutionelle Investoren vertreten. Eine Lösung müsste so gestaltet sein, dass ihr alle Kläger zustimmen.
Die vollen Ansprüche der Kläger könnte Steinhoff nach derzeitigem Stand keinesfalls erfüllen. Dessen dürften sich alle Kläger bewusst sein. Klar ist: Kommt es nicht zu einer Einigung, werden die Klagen vor Gericht verhandelt. Kläger müssten dann womöglich jahrelang auf ihr Geld warten.
Für Steinhoff besteht wiederum das Risiko, in die Pleite zu schlittern. Zumal Ende 2021 das Stillhalteabkommen mit den Gläubigern ausläuft. Sind bis dahin nicht die größten Rechtsrisiken vom Tisch, dürfte es schwieriger werden, eine günstige Lösung zur Refinanzierung der Milliarden-Schulden auszuhandeln.
Dazu kommen Anwalts- und Gerichtskosten für beide Seiten.
Grundsätzlich gibt es daher wohl auf allen Seiten die Bereitschaft, über einen Vergleich zu verhandeln. Allerdings gestalten sich die Verhandlungen dem Vernehmen nach außergewöhnlich komplex.
Die Knackpunkte
Wie DER AKTIONÄR von Personen, die mit den Verhandlungen befasst sind, erfuhr, geht es unter anderem um die Frage, ob sich Steinhoffs ehemalige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte an einer Entschädigung beteiligen würde. Im Gegenzug könnte Steinhoff beispielsweise auf rechtliche Schritte gegen Deloitte verzichten.
Dazu kommt die Frage, welcher Betrag von Steinhoffs Versicherungen kommen könnte.
Im Klartext: Steinhoff verhandelt anscheinend nicht nur mit den Kläger-Vertretern, sondern auch mit Deloitte und einer oder mehreren Versicherungsgesellschaften.
Außerdem führt eine Einigung wohl nur über den Steinhoff-Großaktionär Christo Wiese, der eine Milliarden-Klage gegen Steinhoff laufen hat – als Anteilseigner aber ebenfalls ein Interesse am Überleben Steinhoffs haben dürfte.
Ein Nebenschauplatz: Steinhoff verlangt umgerechnet mehrere Millionen Euro von ehemaligen Führungskräften zurück. Auch von der Seite könnte also Geld fließen. Allerdings wird es diesbezüglich aller Voraussicht nach zu einem Gerichtsprozess kommen. Die Klageerwiderung von Ex-Chef Markus Jooste („Peinlich und unklar“) deutet jedenfalls nicht auf eine gütliche Einigung hin.
Ein Vergleich könnte so aussehen: Steinhoff zahlt aus eigenen Mitteln, Versicherungsgeld und dem Beitrag von Deloitte eine Barsumme an die Kläger, die von ihren ursprünglichen Forderungen abrücken. Zusätzlich wäre die Ausgabe neuer Aktien denkbar. Ob und wann eine Einigung gelingen kann, ist allerdings nach wie vor völlig unklar. Selbst im Erfolgsfall würde Steinhoff finanziell bluten. Aktionären droht zudem eine Verwässerung ihrer Anteile. Kein Wunder, dass die aktuelle Steinhoff-Führung derzeit auch bei Kursen um die 6 Cent keine Aktien des Unternehmens kauft. Zu unübersichtlich ist die Lage, zu unkalkulierbar das Risiko. DER AKTIONÄR meint: Kein Kauf!