Der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende und Übergangschef Christo Wiese ist immer noch der größte Einzelaktionär Steinhoffs. In einem TV-Interview hat sich Wiese zur Zukunft des durch einen Bilanzskandal erschütterten Konzerns geäußert und außerdem über seine Klage und seine Verantwortung in dem Fall gesprochen.
„Es wurde nicht nur ein, zwei Jahre betrogen. Wenn man die Abschlüsse analysiert und zwischen den Zeilen liest, hat der Betrug vor fünfzehn, sechzehn Jahren begonnen. Ich und Tausende andere, darunter Banker, Gläubiger und Analysten, wurden getäuscht“, sagte Wiese im Gespräch mit CNBC.
Auch im Rückblick keine Warnsignale
Die deutschen Steuerbehörden hätten im Dezember 2015 begonnen, den Fall Steinhoff zu untersuchen. „Fast vier Jahre Später haben sie noch niemanden festgenommen. Nicht mal sie haben bis jetzt Antworten. Wie kann man da erwarten, dass eine einzelne Person oder selbst eine Gruppe hochqualifizierter Aufsichtsratsmitglieder etwas mitkriegt?“
Über Ex-Steinhoff-Chef und Familienvater Markus Jooste sagte Wiese: „Es wird behauptet, dass Jooste jahrelang eine Freundin hatte. Ich wusste nichts davon. Hätte ich davon gewusst, hätte ich ihn deswegen zur Rede gestellt. Wenn ein Mann jeden Tag seine Frau belügen kann, warum sollte er dann nicht seine Kollegen oder seinen Aufsichtsrat anlügen? Ich habe früher zwei, drei Vorstände gefeuert, weil sie außereheliche Affären hatten.“
Die Rolle der Gläubiger
Zu seiner Klage gegen Steinhoff stellte Wiese richtig: „Meine Unternehmen, die mit Steinhoff Geschäfte gemacht haben, verklagen Steinhoff. Nicht ich selbst. Das ist ein Unterschied.“ Er sehe seine Unternehmen in der Rolle der Gläubiger.
Es gebe 16 ähnliche Fälle, in denen Unternehmen Ansprüche gegen Steinhoff angemeldet hätten, dazu kämen 182 Finanzinstitute. „Es sind diese Gläubiger, die sich an einen Tisch setzen und entscheiden müssen, wie die Vermögenswerte, die noch in Steinhoff stecken, aufgeteilt werden sollten. Es gibt keine Möglichkeit, dass Steinhoff einem dieser Gläubiger Cash zahlen könnte.“
Steinhoff beschäftigt noch immer Zehntausende Mitarbeiter weltweit.
„Wir müssen uns alle zusammen hinsetzen und überlegen, wie wir Steinhoff vorwärts bringen können oder – wenn es so entschieden wird – das Unternehmen liquidieren“, sagte Wiese. „Es wäre eine Schande, wenn das der Fall wäre. Aber am Ende des Tages müssen die Gläubiger entscheiden.“
DER AKTIONÄR meint: Die Aussagen Wieses unterstreichen einmal mehr, wie komplex und ernst die Lage rund um Steinhoff ist. Sollte der Konzern tatsächlich zerschlagen werden, würden Kleinaktionäre voraussichtlich leer ausgehen. Bleibt Steinhoff bestehen, wird es trotzdem noch ein langer, zäher Weg, sich mit Gläubigern und geschädigten Anlegern zu einigen und zugleich die Geschäfte profitabel fortzuführen. Die Aktie ist weiter kein Kauf.