Ein Kommentar von Alfred Maydorn: Erst Nordex, dann Aurelius und gestern schließlich noch Dialog Semiconductor – drei der beliebtesten Aktien deutscher Anleger kamen in den vergangenen Wochen nacheinander kräftig unter die Räder und verloren prozentual zweistellig an Wert. Während die Besitzer der drei Werte natürlich zunächst schockiert waren und einige von ihnen auch frustriert verkauften, wurden zahlreiche neue Anleger vom deutlich reduzierten Preisniveau angelockt wie Fliegen vom Licht und griffen zu den vermeintlichen Schnäppchenkursen beherzt zu. Sowohl Nordex als auch Aurelius und jetzt Dialog Semiconductor schnellten unmittelbar nach dem ersten großen Abschlag sofort auf Platz 1 der meistgekauften Aktien beim Online-Broker Flatex – und vermutlich auch bei anderen Brokern und Banken.
Eine Nordex für 13 Euro und damit 50 Prozent günstiger als noch vor einem halben Jahr – diese Chance wollten sich viele nicht entgehen lassen. Auch Aurelius-Aktien gab es urplötzlich fast zum halben Preis wie noch zwei Tage zuvor – ein echtes Schnäppchen. Und wer hätte gestern am frühen Morgen schon damit gerechnet, dass er Aktien von Dialog Semiconductor wenige Stunden später 30 Prozent günstiger bekommt.
Schnelle Erholung unwahrscheinlich
Aber ist diese Schnäppchenjagd deutscher Privatanleger sinnvoll – oder besser gesagt, zahlt sie sich aus? Kurzfristig eher nicht, denn es kommt so gut wie nie vor, dass eine Aktie die – aus welchen Gründen auch immer – in sehr kurzer Zeit um 20, 30 oder mehr Prozent gefallen ist, sich auch genauso schnell wieder erholt. Und ob sie sich mittel- bis langfristig erholt hängt natürlich vor allem davon ab, was den Kurssturz ausgelöst hat und ob er tatsächlich berechtigt war.
Bei Nordex ist diese Überprüfung relativ einfach, weil das Unternehmen mit seiner drastischen Prognoseabsenkung den Kurssturz selbst ausgelöst hat. Schlagartig wurde sämtliches Wachstumspotenzial der nächsten beiden Jahre „zerstört“ und damit auch fast jegliche Kurfantasie. Und das ist bei einem Unternehmen, dessen Kurs vor allem von den Perspektiven lebt, natürlich sehr unangenehm und spiegelt sich entsprechend im Kurs wider.
Nicht nur Fakten zählen an der Börse
Bei Aurelius und Dialog Semiconductor sieht die Sache schon anders aus, weil die Kursstürze von externer Seite ausgelöst wurden. Bei Aurelius war es bekanntermaßen die Short-Attacke von Gotham City und bei Dialog die laut geäußerten Vermutungen des Bankhaus Lampe, Dialog laufe Gefahr seinen wichtigsten Kunden, Apple, zu verlieren. Im Gegensatz zu Nordex geht es hier nur um von Dritten geäußerte Meinungen und Ansichten, nicht um Fakten. Aber – und dieses „aber“ ist durchaus kursrelevant, die Bewertung einer Aktie basiert eben nicht nur auf Fakten, sondern eben auch auf Meinungen, Ansichten, Annahmen und Vermutungen. Bei vielen Aktien sogar zu einem recht hohen Anteil.
Risikoabschlag bei Dialog Semiconductor
Und auch Ängste spielen eine große Rolle. So hat das Bankhaus Lampe bei Dialog – ob nun mutwillig oder versehentlich – vielen Anlegern noch einmal verdeutlicht, wie gefährlich es ist, eine Aktie von einem Unternehmen zu besitzen, dass Dreiviertel seiner Umsätze mit einem einzigen Kunden erzielt. So gut die Geschäfte auch laufen, in der Regel werden solche Unternehmen an der Börse mit einem gewissen Risikoabschlag gehandelt. Bleibt nur die Frage, wie groß der ist. Und genau um diese Frage geht es bei Dialog gerade.
Ähnlich ist die Lage bei Aurelius, ein Unternehmen mit einem Geschäftsmodell, das einfach sehr viel Spielraum für unterschiedliche Bewertungsansätze lässt. Allerdings gibt es hier einige Fakten, die wirklich viele Fragen aufwerfen. Etwa, warum die drei Vorstände 27 Millionen Euro pro Jahr verdienen und warum Vorstand und Aufsichtsrat in den vergangenen Monaten Aktien in dreistelliger Millionenhöhe verkauft haben.
Narben und Kurskrater
Trotz der drei sehr unterschiedlichen Hintergründe für die starken Abschläge bei Nordex, Aurelius und Dialog gibt es doch eine Gemeinsamkeit: Ein so drastischer Kurssturz – durch was auch immer ausgelöst – hinterlässt Narben. Und die sind auch noch nach langer Zeit gut im Chart abzulesen. Und es gibt eben einfach Anleger, die um Aktien mit derartigen „Kurskratern“ einfach einen großen Bogen machen.
Kaufen oder nicht?
Insofern kann ich nur raten, sich einen Einstieg in einen „gefallenen Engel“ vorher sehr gut zu überlegen und sich nicht von den „Discount-Preisen“ blenden zu lassen. Und wenn Sie meine ganz persönliche Meinung hören wollen, ich würde aktuell weder eine Nordex zu 13 Euro, noch eine Aurelius zu 41 Euro und auch keine Dialog zu 40 Euro kaufen oder zum Kauf empfehlen. Bei Nordex ist das Kurspotenzial auf lange Zeit dahin, bei Aurelius gibt es zu viele Ungereimtheiten und bei Dialog ist mir die Abhängigkeit von Apple einfach zu groß. Auch wenn eine Trennung aus heutiger Sicht eher unwahrscheinlich sein mag, sie würde einen Kurssturz von 70 oder mehr Prozent zufolge haben. Die Aktionäre des britischen Chipherstellers Imagination haben das vor kurzem schmerzlich erleben müssen. Die Aktie brach um 70 Prozent ein, nachdem Apple bekannt gab, die Grafikchips der Briten zukünftig selber herzustellen.
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Autor: Maydorn, Alfred
ISBN: 9783942888493
Seiten: 160
Erscheinungsdatum: 06.09.2011
Verlag: Börsenbuchverlag
Art: gebunden
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Alfred Maydorn ist seit über 20 Jahren erfolgreich an der Börse aktiv. Ob Internethype, Solarboom oder Social Networks – der Börsenprofi versteht es wie kaum ein Zweiter, frühzeitig Trends zu identifizieren, die richtigen Aktien herauszupicken und damit hohe Gewinne einzufahren. Seit einigen Jahren lehrt er Anleger bundesweit auf Vorträgen seine Methode, mit Aktien richtig Geld zu verdienen. Nun liegt dieses Wissen erstmals in Buchform vor. Erfahren auch Sie, wie Sie Renditen von 100 oder mehr Prozent mit Aktien erzielen können und wann es Zeit ist, sich aus einer Position zu verabschieden. Alfred Maydorn zeigt Ihnen, wie Sie mit gesundem Menschenverstand, ein wenig Disziplin und der Beachtung einiger einfacher Regeln endlich richtig Geld mit Aktien verdienen.