Aktien wie etwa Rheinmetall oder Hensoldt galten lange als nicht "nachhaltig". Waffen und Panzer zerstören Leben, Infrastruktur und Lebensräume, hieß es. Da Rüstung aber inzwischen als Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft gilt, erlaubt nun Allianz Global Investors als eines der ersten europäischen Fondshäuser auch Rüstungswerte in seinen Nachhaltigkeits-Fonds.
Investments in Rüstungsunternehmen sind seit dem Ukraine-Krieg kein Tabu mehr. Die EU hat im vergangenen Jahr ihre Nachhaltigkeitskriterien gelockert, um mehr privates und öffentliches Kapital in den europäischen Rüstungssektor zu lenken. Demnach können auch Fonds, die als "nachhaltig" gelten, in Unternehmen der Rüstungsbranche investieren. Einzig Investitionen in völkerrechtlich geächtete Waffen – also etwa in Unternehmen, die mit Streubomben, Antipersonenminen oder chemischen und biologischen Waffen Geschäfte machen – bleiben untersagt.
Eines der beiden Fondshäuser des Versicherungsriesen Allianz will seine Fonds mit hohen ökologischen und sozialen Standards nun auch für bestimmte Rüstungswerte öffnen. Eine entsprechende Änderung der Investment-Richtlinien für Fonds nach ESG-Kriterien hat Allianz Global Investors (AGI) jetzt beschlossen. ESG (Environmental, Social and Governance) steht für Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung.
Konkret werde der Ausschluss "militärischer Ausrüstung und Dienstleistungen" gestrichen, heißt es in einem Schreiben an AGI-Kunden. Die entsprechenden Nachhaltigkeitsfonds dürfen damit künftig in Unternehmen investieren, die mehr als zehn Prozent ihres Umsatzes in dem Bereich erwirtschaften. Auch Geschäfte im Zusammenhang mit Atomwaffen seien künftig erlaubt, sofern sie im Rahmen des Atomwaffensperrvertrags stattfänden. Die Regeländerungen gelten nicht für alle Fonds, sondern nur für so genannten Artikel-8-Fonds – eine der beiden ESG-Fonds-Kategorien in Europa.
"Die geopolitischen Ereignisse der letzten Jahre haben zu einem umfassenderen Umdenken hinsichtlich der Notwendigkeit von Investitionen in die europäische Verteidigungsarchitektur geführt", erklärte AGI in dem Schreiben. "Ein robuster Verteidigungssektor ist erforderlich, um die Mittel für die nationale und regionale Sicherheitspolitik bereitzustellen und die wirtschaftliche und soziale Stabilität zu unterstützen." Auch andere ESG-Fondsmanager in Europa sind gerade dabei, Ausschluss-Richtlinien bei ihren Anlagen aufzuheben, die Rüstungswerte einst uninvestierbar machten.
Zudem wird das Thema auch in Banken diskutiert. Commerzbank-Risikovorstand Bernd Spalt etwa hatte zuletzt angekündigt, die Finanzierung von Rüstungsprojekten auszubauen. In einem Interview mit dem Handelsblatt sagte Spalt Mitte März: "Im aktuellen Kontext sehen wir im Verteidigungssektor erhebliches Potenzial."
Die Kurse europäischer Rüstungsaktien laufen seit Monaten stark. Mit dem Antritt Donald Trumps zu einer weiteren Präsidentschaft hat sich das globale Sicherheitsgefüge verschoben, was die Papiere nochmals deutlich steigen ließ. Die Aktie des größten deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall hat sich seit Jahresanfang mehr als verdoppelt (siehe Chart). Am heutigen Mittwoch geben sie im DAX jedoch mehr als drei Prozent nach. Im MDAX verbilligen sich auch Hensoldt und Renk um mehr als anderthalb Prozent.
Die Allianz-Aktie hält sich derweil mit einem Tagesabschlag von 0,3 Prozent auf knapp 356 Euro deutlich besser als der DAX, der am Mittag 1,3 Prozent unter Vortag liegt. Ein möglicher Grund für die stabilen Allianz-Kurse: Die US-Investmentbank Goldman Sachs hat das Kursziel für Allianz heute von 339 auf 393 Euro deutlich angehoben und die Einstufung auf "Buy" belassen. Analyst Andrew Baker wendet bei den Papieren der Münchner nun einen höheren Bewertungsmaßstab an.
Die Rüstung in Europa gilt inzwischen als eine Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft. Ohne Friedenssicherung werden Investitionen verschoben, die US-Politik mit Strafzöllen macht einen konjunkturellen Aufschwung schwierig.
Wenn nun mehr Aktienfonds in Rüstungs-Aktien investieren, dürften Rheinmetall, Hensoldt, Renk und Co weiter gesucht bleiben. Umgekehrt kommt die Performance der Militär-Ausrüster indirekt auch der Fondsgesellschaft AGI und der Mutter Allianz zugute. Deren Aktie bewegt sich – ähnlich wie die Rüstungsaktien – weiterhin nahe der Rekordhöhen. Neue Allzeithochs sind bei den Werten in den kommenden Wochen wahrscheinlich, die Papiere bleiben haltenswert.

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Der Autor hält unmittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Allianz.