Die schwankungsreiche Zeit am deutschen Aktienmarkt dürfte kurzfristig noch anhalten – ohne dass ein eindeutiger Trend auszumachen ist. Dabei erscheint das Abwärtsrisiko angesichts zuletzt weiter zunehmender Corona-Infektionszahlen derzeit größer als die Aufwärtschance. Stockpicking ist angesagt. Ein Wochenausblick.
Auch in der neuen Woche dürfte sich der deutsche Aktienmarkt im Spannungsfeld zwischen der Furcht vor einer zweiten Welle der Corona-Neuinfektionen und wirtschaftlichen Hoffnungssignalen bewegen.
Nach der nun schon dreimonatigen Erholungsrallye könnten kurzfristig weitere Gewinnmitnahmen nicht ausgeschlossen werden, bemerkten die Experten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Zumal mit der anstehenden Bekanntgabe der Unternehmenszahlen zum zweiten Quartal offensichtlich werden dürfte, wie stark die Coronavirus-Pandemie auf die Ergebnisse der Konzerne durchgeschlagen habe.
So hatte der DAX sich von seinem März-Tief von 8.255 Punkten zwischenzeitlich um mehr als die Hälfte auf etwa 12.900 Punkte erholt, bevor ihm jüngst ein wenig die Luft ausging. Allerdings hielt sich der DAX in der abgelaufenen Woche wieder größtenteils über der Marke von 12.000 Punkten.
Am Freitag war der DAX nach zunächst freundlichem Start noch ins Minus gedreht und hatte bei 12.089 Punkten geschlossen - leicht unterhalb der charttechnisch wichtigen 200-Tage-Linie. Daraus ergab sich ein Wochenverlust von zwei Prozent. Am Sonntag-Morgen taxierte der Broker IG den DAX bei knapp 12.000 Punkten.
Der MDAX der mittelgroßen Börsenwerte schloss die Woche bei 25.620 Punkten – ein Wochenabschlag von 2,4 Prozent.
Anleger wegen Corona-Infektionszahlen nervös
Die jüngsten Kursrücksetzer am Aktienmarkt sind zuletzt immer rasch durch neue Käufe kompensiert worden. Wegen der aktuellen Sorgen um eine mögliche zweite Corona-Infektionswelle hat die Nervosität der Anleger aber wieder zugelegt. Dies betreffe insbesondere die USA, wo Lockerungsmaßnahmen möglicherweise zu früh verkündet worden seien, betonte Chris-Oliver Schickentanz, Chefanlagestratege der Commerzbank.
In Europa seien hingegen bisher nur gravierende Einzelfälle massiver Neuausbreitung verzeichnet worden, die mit Maßnahmen begrenzt werden könnten. "Solange dies gelingt, dürfte die zweite Welle in Europa glücklicherweise ausbleiben, allerdings bleibt sie als Risiko bestehen", so Schickentanz.
Helaba-Analyst Markus Reinwand verwies darauf, dass der DAX trotz zuletzt aufgehellter Konjunkturperspektiven nicht mehr vom zuletzt deutlichen Anstieg der Ifo-Erwartungen für die kommenden sechs Monate profitiert habe. "Dies unterstützt die These, dass Aktien zu schnell zu viel Positives vorweggenommen haben. Nun ist die Luft sehr dünn geworden – auch weil die Pandemie längst noch nicht überstanden ist", erklärte Reinwand.
Kurzfristig kaum Aufwärtspotenzial für Dividenden-Titel
Zudem seien Aktien weltweit recht hoch bewertet. Deutsche Standardwerte notierten auf Basis der wichtigsten absoluten Bewertungskennziffern leicht oberhalb des fairen Bereichs. "Jetzt müssen die Fundamentaldaten das nachvollziehen, was Aktien schon vorweggenommen haben. Für die kommenden Monate besteht somit kaum Aufwärtspotenzial für Dividenden-Titel", stellte der Analyst fest und empfiehlt: "Angesichts des derzeit nicht sonderlich attraktiven Chance-Risiko-Verhältnisses sollten für den Kauf von Aktien mögliche Schwächephasen abgewartet werden."
Commerzbank-Anlageexperte Schickentanz wies zudem darauf hin, dass vom Rückgang der Infektionszahlen das Ausmaß der wirtschaftlichen Erholung abhängt. Dabei hätten die meisten Frühindikatoren zuletzt deutliche Hoffnungszeichen aufgewiesen. Auch in der neuen Woche stünden wichtige Daten auf der Tagesordnung, die das Bild einer spürbaren Konjunkturerholung im dritten Quartal bekräftigen sollten. Er nannte in diesem Zusammenhang die chinesischen Einkaufsmanager-Indizes am Dienstag und Mittwoch.
Wichtige US-Konjunkturdaten
Am Mittwoch wird zudem in den Vereinigten Staaten der vielbeachtete ISM-Index für das Verarbeitende Gewerbe veröffentlicht. Am Donnerstag gibt es in den USA wieder wichtige Einblicke in den Arbeitsmarkt. Durch die Lockerungen dürfte es erneut zu einem starken Beschäftigungsaufbau gekommen sein, glaubt Schickentanz. Er rechnet mit entsprechend positiven Trends bei der Arbeitslosenquote und den Neuanträgen auf Arbeitslosenunterstützung.
Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank erwartet, dass nach den jüngsten positiven Überraschungen bei den US-Arbeitsmarktdaten ein weiterer kräftiger Bericht das Vertrauen in die wirtschaftliche Erholung des Landes aufrechterhalten kann. Am Dienstag wird das US-Konsumklima, gemessen am Verbrauchervertrauen des Conference-Board, veröffentlicht. Dieses dürfte laut Kater zuversichtlicher ausfallen.
Am Mittwoch will das Ifo-Institut seine neue Konjunkturprognose bekannt geben. Viermal im Jahr veröffentlicht das Institut eine Konjunkturprognose, wobei die Prognose der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren im Mittelpunkt steht.
Inflationsrate in Eurozone weiter abwärts?
Christoph Swonke, Volkswirt der DZ Bank, zählt auch die Schnellschätzung der Inflationsrate für den Euro-Raum am Dienstag zu den wichtigsten Datenveröffentlichungen in der neuen Woche. Am jüngsten Trend der fallenden Inflationsrate dürfte sich Swonke zufolge auch im Juni kaum etwas geändert haben. Allerdings sollten die Preisrückgänge bei Energie und die Anstiege bei den Nahrungsmitteln jeweils etwas weniger stark ausgefallen sein.
Daneben werden auch die Vorabergebnisse zu den Teuerungsraten aus Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien veröffentlicht. "Hier erwarten wir insgesamt weiterhin Preissteigerungsraten auf sehr niedrigem Niveau", so Swonke.
Wirecard weiterhin im Fokus
Aus Unternehmenssicht richten sich die Blicke in der neuen Woche weiterhin auf den Bilanzskandal um den Zahlungsabwickler Wirecard, der Insolvenz angemeldet hat. Ob aber das Insolvenzverfahren auch eröffnet werde, wird noch geprüft. Der nach einem Bilanzskandal ums Überleben kämpfende Zahlungsabwickler setzt derweil trotz des Insolvenzantrags auf eine Fortführung des Geschäfts. "Der Vorstand ist der Meinung, dass eine Fortführung im besten Interesse der Gläubiger ist", teilte der DAX-Konzern am Samstag mit.
Der Geschäftsbetrieb der Konzerngesellschaften inklusive der lizenzierten Einheiten werde aktuell fortgesetzt, hieß es weiter. Es werde laufend geprüft, ob auch Insolvenzanträge für Tochtergesellschaften der Wirecard Gruppe gestellt werden müssen. Konzerngesellschaften mit Ausnahme einer kleinen Entwicklungsniederlassung hätten derzeit keine Insolvenzanträge gestellt.
Die Wirecard Bank sei aktuell nicht Teil des Insolvenzverfahrens, der Zahlungsverkehr der Wirecard Bank sei nicht betroffen, betonte das Unternehmen. Auszahlungen an Händler der Wirecard Bank würden weiterhin ohne Einschränkungen ausgeführt. Man stehe zudem "im stetigen Austausch mit den Kreditkarten-Organisationen".
Unterdessen ist offenbar über Monate hinweg nur ein einziger Mitarbeiter bei der von der Aufsichtsbehörde BaFin mit der komplexen Prüfung beauftragten Bilanzprüfern tätig gewesen. Das schreibt heute die Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Viele Hauptversammlungen
Eine ganze Reihe von Unternehmen hält in der neuen Woche noch ihre Hauptversammlungen ab – etwa Cancom, HelloFresh, Knorr-Bremse, Norma Group, Qiagen, RTL, SNP, Vonovia oder Wacker Neuson.
Flughafenbetreiber Fraport wird neue Verkehrszahlen vorlegen, die britische Fluggesellschaft Easyjet ihre detaillierten Halbjahreszahlen.
Ansonsten wird es am Donnerstag für die Anleger von Grenke interessant, wenn der IT-Leasinganbieter Zahlen zu seinem Neugeschäft im zweiten Quartal veröffentlicht. (Mit Material von dpa-AFX)