Die Fallzahlen steigen: Immer mehr Menschen in Deutschland infizieren sich mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2. Was noch vor Tagen nur beiläufig diskutiert wurde, ist inzwischen flächendeckend beschlossen: In der gesamten Bundesrepublik bleiben die Schulen mit Beginn der neuen Woche geschlossen. Die Einschränkung des öffentlichen Lebens wird nicht Halt machen bei den Schulen. In Kürze könnte das ganze Land – und damit auch die Börsen – stillstehen.
Schulen und KiTas: dicht. Veranstaltungen mit mehr als 50 Teilnehmern – ob öffentllich oder privat – in Berlin unter Anwendung des Infektionsschutzgesetzes untersagt. Die Grenzen zu Dänemark im Norden und Polen im Osten: geschlossen. Die Spirale aus Abschottung und Einschränkung des öffentlichen Lebens dreht sich seit dem Wochenende auch in Deutschland immer schneller. Zuvor hatten bereits Italien, Österreich, Teile Spaniens und Frankreichs ähnliche oder noch drastischere Maßnahmen ergriffen.
Frankreich schließt Läden und Restaurants
Frankreich beschleunigt seine Bemühungen zur Eindämmung der Ausbreitung. Am Samstag kündigte Frankreichs Premier Édouard Philippe an, dass alle Restaurants, Bars und Läden geschlossene blieben. Apotheken und Lebensmittelgeschäfte oder Banken hingegen sollen weiter geöffnet bleiben. Frankreich hat ähnlich viele Infizierte wie das Nachbarland Deutschland. Philippe gestand ein, dass die bisherigen Maßnahmen angesichts der weiter steigenden Fallzahlen nicht ausreichend gewesen seien. Selbst der öffentliche Verkehr soll nun eingeschränkt werden. Laut Aussage des nationalen Gesundheitsdirektors Jérôme Salomon gelte in dem Land nun "Stufe 3" und damit die höchste Stufe im Kampf gegen Epidemien.
Deutschland könnte dem Beispiel Frankreichs folgen
Deutschland reagierte zunächst zögerlich auf die steigenden Infektionszahlen in der Bundesrepublik. Durch die föderalistische Struktur kam es zudem zu surrealen Situationen. Während die Schulen in einem Landkreis geschlossen blieben, waren sie im benachbarten geöffnet. Ganz zu schweigen von der unterschiedlichen Handhabung derartiger Maßnahmen zwischen den einzelnen Bundesländern. Inzwischen haben sich alle von ihnen für die vorläufige Schließung aller Bildungseinrichtungen ausgesprochen. Dennoch: Nach wie vor wird nicht alles überall gleich gehandhabt. Berlin ist am Samstag vorgeprescht. Der Regierende Bürgermeister der Millionenmetropole, Michael Müller, teilte per Twitter mit, dass alle öffentlichen und nicht-öffentlichen Veranstaltungen mit mindestens 50 Teilnehmern ab sofort untersagt seien.
Der Senat hat heute beschlossen, dass in Berlin ab sofort alle öffentlichen und nichtöffentlichen Veranstaltungen ab 50 Teilnehmern untersagt sind. Kneipen, Clubs, Spielhallen, Spielbanken, Messen, Wettannahmestellen & ähnliche Unternehmen dürfen nicht mehr geöffnet werden. (1/6) pic.twitter.com/JQOEttnrxI
— Der Regierende Bürgermeister von Berlin (@RegBerlin) March 14, 2020
Berlin geht damit unter allen Bundesländern am entschiedensten vor und schränkt das öffentliche Leben am stärksten ein. Es ist wahrscheinlich, dass alsbald weitere Länder nachziehen werden, so, wie es schon im Falle der Schulschließungen der Fall gewesen ist.
Börsen könnten schließen, Handel geht weiter
Die Auswirkungen der Corona-Krise sind an den Finanzmärkten stark zu spüren, in Deutschland ebenso wie im Rest der Welt. Seit Montag, den 24. Februar 2020, befinden sich die Kurse im freien Fall, über nahezu alle Asset-Klassen hinweg. An dem Wochenende vor Beginn des bis heute andauernden Corona-Crashs wurde das Ausmaß der Corona-Verbreitung erstmals auch in Europa sicht- und spürbar. Italien hatte aufgrund stark steigender Infiziertenzahlen Teile Norditaliens abgeriegelt. Bis heute ist es Italien nicht gelungen, die Ausbreitung einzudämmen.
Von der Ergreifung immer drastischerer Maßnahmen in Deutschland könnten am Ende auch die Börsenplätze betroffen sein. Die Deutsche Börse in Frankfurt gewährt seit Freitag Gästen und Personen ohne Dauer-Akkreditierung für den Handelssaal keinen Zugang mehr zu ebenjenem. Gleichzeitig hat der Börsenbetreiber die Präsenzpflicht für die Händler vor Ort gelockert. Wer die Möglichkeit hat, kann von einer anderen Lokation aus seiner Arbeit nachgehen. Noch in der ersten Woche des Crashs hatte DER AKTIONÄR bei allen wichtigen Börsenbetreibern nachgefragt, wie sie im Falle des Falls reagieren würden. Wichtigste Erkenntnis für Anleger: Der Handel wird ungehindert weiter gehen. Alle Betreiber haben Notfallpläne und werden diese ggfs. umsetzen. Heißt: Selbst wenn die lokalen Börsen dichtmachen, geht der Handel über die Computersysteme weiter.
Keine Unterbrechung des Börsenhandels zu erwarten
Nur weil die Kurse mitunter heftig fallen, besteht kein Grund zur dauerhaften Unterbrechung oder Aussetzung des Handels. "Limit down"-Regeln verhindern, dass die Kurse ins Bodenlose sinken. Wenn die Kurse in kurzer Zeit stark sinken, wird der Handel für einige Minuten unterbochen, ehe er kurze Zeit später fortgesetzt wird. Solche Unterbrechungen können sich binnen eines Handelstages mehrfach wiederholen.
DAX mit schnellstem 30-Prozent-Sturz der Geschichte
Solange der Handel weiterläuft, müssen sich Anleger auf unverändert hohe Schwankungen einrichten. Am Donnerstag erlitt der DAX den höchsten Ein-Tages-Verlust seiner Historie. Das deutsche Börsenbarometer verlor im Laufe der Sitzung über zwölf Prozent. Die Wegstrecke von Allzeithoch (auf Schlusskursbasis) bis zum Erreichen einer 30-prozentigen-Korrektur legte der DAX innerhalb von nur 17 Handelstagen zurück und damit so schnell wie nie zuvor. Im Zuge der Weltfinanzkrise, die ihren Höhepunkt in der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers fand, betrug die Zeitspanne noch 311 Tage. Beim Platzen der Dotcom-Blase lagen zwischen Allzeithoch und Erreichen einer 30-prozentigen-Korrektur 268 Tage.
Corona-Krise stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen
Die Einschränkung des öffentlichen Lebens in Deutschland, insbesondere das Verbot von Veranstaltungen, macht auch vor börsennotierten Gesellschaften nicht Halt. Erste Unternehmen haben ihre bevorstehenden Hauptversammlungen bereits abgesagt respektive verschoben. Aus freien Stücken oder aber weil ihnen Verfügungen des Staates keine andere Wahl ließen. Stand jetzt droht eine Verschiebung der HV-Saison hinein in den Sommer. Allein bis Ende April würden regulär zehn DAX-Unternehmen ihre Hauptversammlungen abhalten. Zwei von ihnen haben die Aktionärstreffen bereits abgesagt.
Die Wahrscheinlichkeit eines Shutdowns in Deutschland ähnlich wie in Frankreich steigt mit jedem Tag, mit dem die Fallzahlen in die Höhe schnellen. Die Auswirkungen auf die Wirtschaft sind kaum zu abzuschätzen. An den Börsen indes bedeutete bisher das Erreichen jeder neuen Stufe auf der Eskalationsleiter zusätzliche Turbulenzen. Folglich müssen Anleger auch in der neuen Woche mit weiteren Wirren rechnen. Zumal der Handel – entgegen erster Forderungen von Investoren – ungehindert fortgesetzt wird. Die deutschen Aufsichtsbehörden haben sich bis zuletzt dafür ausgesprochen, Leerverkäufe nicht zu verbieten. Anders als in Spanien und in Italien.