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31.01.2024 Jochen Kauper

Boeing: Schlechte Zahlen, keine Prognose für 2024 = Kaufchance?

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Das Beinahe-Unglück einer Boeing 737 Max verschärft die Dauerkrise des zweitgrößten Flugzeugherstellers der Welt. Nach fünf Verlustjahren in Folge will sich Konzernchef Dave Calhoun zu den Geschäftsaussichten gar nicht äußern. "Wir werden uns einfach auf jedes nächste Flugzeug konzentrieren", schrieb der Manager anlässlich der Jahresbilanz am Mittwoch an seine Mitarbeiter. Es gehe darum, bei Sicherheit und Qualität höchste Standards zu erfüllen. "Das ist es, was letztlich unsere Leistung bestimmen wird."

Denn nach dem Zwischenfall einer Maschine von Alaska Airlines darf Boeing die Produktion seiner meistgefragten Flugzeugreihe vorerst nicht weiter hochfahren. Vielmehr nimmt die US-Luftfahrtbehörde FAA die Abläufe und Qualitätskontrollen des Herstellers unter die Lupe.

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Eigentlich wollte Boeing die Produktion der 737-Jets bis spätestens 2026 schrittweise auf monatlich 50 Maschinen steigern. Jetzt bleibt es bis auf Weiteres bei 38 Jets pro Monat. Damit dürfte Boeing weiter hinter seinen Rivalen Airbus aus Europa zurückfallen, der die Produktion seiner Jets aus der A320neo-Familie bis 2026 auf monatlich 75 Maschinen ausweiten will.

Analysten hatten zuletzt erwartet, dass Boeing 2024 in die Gewinnzone zurückkehrt. Calhoun will von solchen Ansagen aber nichts wissen: "Während wir diese Zeit des Jahres oft nutzen, um unsere finanziellen und betrieblichen Ziele mitzuteilen oder zu aktualisieren, ist jetzt nicht die Zeit dafür."

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An der Börse in New York wurden die Neuigkeiten dennoch positiv aufgenommen: Für die zuletzt stark gebeutelte Boeing-Aktie ging es um rund drei Prozent aufwärts. Seit dem Jahreswechsel hat sie damit noch mehr als ein Fünftel eingebüßt.

Im abgelaufenen Jahr verbuchte der US-Konzern unter dem Strich einen Verlust von mehr als 2,2 Milliarden US-Dollar (gut 2 Mrd Euro), wie er in Arlington mitteilte. Ein Jahr zuvor hatte das Minus mit gut fünf Milliarden Dollar sogar mehr als doppelt so hoch gelegen.

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Zwar lieferte Boeing im vergangenen Jahr 528 Passagier- und Frachtjets aus und damit zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Der Umsatz stieg sogar um 17 Prozent auf 77,8 Milliarden Dollar. Doch die Produktionsmängel und Nacharbeiten an Mittelstreckenjets aus der 737-Max-Reihe und an Langstreckenmaschinen vom Typ 787 "Dreamliner" zogen das Ergebnis ebenso ins Minus wie hohe Mehrkosten für das künftige US-Präsidentenflugzeug Air Force One, die Tankjets für die US-Luftwaffe, ein Schulungsflugzeug und eine Tarnkappendrohne.

Dadurch schrieb Boeing nicht nur im Geschäft mit Passagier- und Frachtjets rote Zahlen. Der operative Verlust der Rüstungs- und Raumfahrtsparte fiel mit knapp 1,8 Milliarden Dollar sogar noch höher aus. Einzig das Servicegeschäft steuerte einen Milliardengewinn bei.

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Boeing steckt seit fast fünf Jahren in der schwersten Krise seiner Geschichte. Damals waren binnen weniger Monate zwei Mittelstreckenjets vom Typ 737 Max abgestürzt - 346 Menschen starben. Im März 2019 verhängten Luftfahrtbehörden deshalb Startverbote für den Flugzeugtyp. Erst nach aufwendigen technischen Verbesserungen wurden die Jets wieder zugelassen.

Da hatte Boeing seine Position als weltgrößter Flugzeugbauer schon an seinen Rivalen Airbus verloren. Dieser punktet seit Jahren mit der Neuauflage seiner Maschinen aus der A320-Familie. Inzwischen haben Kunden mehr als 10 000 Exemplare der A320neo und der Langversion A321neo bestellt, die dank sparsamerer Triebwerke weniger Kerosin verbrauchen als ihre Vorgänger. Der Erfolg von Airbus hatte Boeing dazu getrieben, seine 737-Reihe unter dem Beinamen "Max" ebenfalls mit moderneren Antrieben auszustatten.

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Calhoun versucht Boeing seit Ende 2019 aus der Krise steuern. Doch im Frühjahr 2023 zwangen Produktionsfehler des Rumpf-Zulieferers Spirit Aerosystems den Hersteller, die Auslieferung der 737-Max-Reihe erneut auszusetzen. Ab dem Sommer machten weitere Mängel umfangreiche Nacharbeiten an fast fertigen Jets notwendig, und im Dezember wurden lose Schrauben im Rudersteuersystem entdeckt.

Als Anfang Januar auf dem Flug einer Boeing 737-9 Max von Alaska Airlines ein Rumpfteil herausbrach, griff die FAA durch. Zunächst mussten alle Flugzeuge der fraglichen Variante am Boden bleiben und untersucht werden. Dann leiteten die Aufseher Ermittlungen gegen den Hersteller ein. Zudem untersucht die US-Verkehrssicherheitsbehörde NTSB derzeit das Unglück.

Das herausgebrochene Rumpfteil verschloss bei der fraglichen Variante des Jets einen nicht benötigten Notausstieg. Noch offen ist, ob die vorgesehenen Befestigungsbolzen des Bauteils montiert waren oder herausgesprungen sind. Calhoun wollte der NTSB im Interview mit dem Sender CNBC am Mittwoch nicht vorgreifen. Der Untersuchungsbericht wird in Kürze erwartet.

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Die Zahlen nahm die Schweizer Großbank UBS zum Anlass, die Boeing-Aktie zu Kauf zu empfehlen. Der Quartalsbericht habe nur wenige Details enthalten, schrieb Analyst Gavin Parsons in einer am Mittwoch vorliegenden Studie. Es habe weder einen Ausblick auf das Jahr 2024 gegeben noch mittelfristige Ziele. Bezüglich der Probleme bei der 737-Max könnte es mehr Informationen während der Analystenkonferenz geben. Er rechnet aber nicht damit, dass der Flugzeugbauer einen konkreten Zeitraum zur Erfüllung der Anforderungen der US-Bundesluftfahrtbehörde FAA nennen kann. Sein Kursziel lautet 325 Dollar.

Bullish blieb auch die kanadische Bank RBC. Mit drei Milliarden Dollar erwirtschafteter freier Barmittel im vierten Quartal habe der Flugzeugbauer das Jahr 2023 stark beendet, schrieb Analyst Ken Herbert in einer am Mittwoch vorliegenden Studie nach der Zahlenvorlage. Das Ausbleiben einer Prognose für 2024 sei zunächst überraschend. Insgesamt sei das vierte Quartal vergleichsweise stark ausgefallen. Mit einer deutlichen Reaktion des Aktienkurses rechnet Herbert aber angesichts der nur begrenzt vorhersagbaren Entwicklung im Jahr 2024 nicht. Das Kursziel lautet 285 Dollar.

Boeing (WKN: 850471)

Boeing hat in den letzten Monaten deutlich Federn lassen müssen. Der Vertrauensverlust ist enorm. Anleger ziehen ein Investment in die Aktie von Airbus vor.


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