Schwerer Rückschlag für Boeing. Die Beschäftigten von Boeing haben auch das verbesserte Vertragsangebot des Managements abgelehnt und setzen ihren Mitte September begonnen Streik fort. Bei der Abstimmung sprachen sich 64 Prozent gegen das Boeing-Angebot aus, das eine Lohnerhöhung von 35 Prozent plus weitere Zahlungen vorsah. Die Boeing-Aktie lotet neue Tiefen aus.
Die streikenden Boeing-Arbeiter haben auch das verbesserte Angebot des Flugzeugbauers mit einem Einkommensplus von 35 Prozent über vier Jahre ausgeschlagen. Das neue Angebot sah außerdem eine Einmalzahlung von 7.000 US-Dollar vor – sowie den Erhalt von Bonuszahlungen, die ursprünglich abgeschafft werden sollten.
In der Abstimmung am Mittwoch sprachen sich 64 Prozent gegen das Angebot aus, wie die Gewerkschaft IAM mitteilte. "Nachdem wir zehn Jahre lang Opfer erbracht haben, gibt es noch eine Menge Boden wiedergutzumachen", betonte die Gewerkschafts-Führung nach dem Votum. Das erste Boeing-Angebot mit Plus 25 Prozent hatten die Arbeiter noch mit einer Mehrheit von fast 95 Prozent abgelehnt. Daraufhin begann am 13.September der Streik. Die IAM hat rund 33.000 Mitglieder bei Boeing.
Nun wird weiter gestreikt. Betroffen ist vor allem die Produktion des Bestseller-Modells 737 sowie des Langstrecken-Jets 777. Der finanzielle Druck auf den Airbus-Konkurrenten, der seit Jahren in der Krise steckt, wird damit noch weiter steigen. Anfang Oktober hatte Boeing mitgeteilt, bis zu 15 Milliarden Dollar von Investoren aufzubringen, um sein Investment-Grade-Rating zu erhalten. Darüber hinaus steht auch eine Kapitalerhöhung im Raum.
"Das ist eine schlechte Nachricht für alle – für Boeing, für die Arbeitnehmer, die Zulieferer, die Kunden und sogar für die Volkswirtschaft", zitiert die Agentur Reuters den Luftfahrt-Experten Scott Hamilton. Boeing ist der größte Kunde der US-Luftfahrt-Zuliefererkette, die bereits unter kritischem finanziellen Druck steht.
Der Rumpf-Lieferant Spirit AeroSystems warnt, dass es bei einer Fortsetzung des Streiks über Ende November hinaus zu weiteren Entlassungen und noch drastischeren Arbeitsniederlegungen kommen würde.
Der Streik läuft bereits seit Mitte September. Boeing kündigte vor Kurzem an, zehn Prozent der Arbeitsplätze zu streichen. was etwa 17.000 Mitarbeiter betreffen dürfte. Das Unternehmen müsse die Belegschaft an die finanzielle Realität anpassen, erklärte Boeing-CEO Kelly Ortberg. Er war im August mit dem Versprechen an die Spitze des Unternehmens getreten, enger mit den Beschäftigten zusammenzuarbeiten als seine Vorgänger. Dieses Ziel scheint mit der Fortsetzung des Streiks zunächst in die Ferne gerückt.
Ortberg will auch die Finanzen des angeschlagenen Flugzeug-Herstellers sanieren. Die Gewerkschaft hatte zuletzt 2008 gestreikt. Der Ausstand dauerte 57 Tage und kostete den Konzern nach Analysten-Schätzungen rund zwei Milliarden Dollar.
Dieses Mal könnte es noch teurer werden. Eine Schätzung des Beratungsunternehmens Anderson Economic Group geht allein für September von insgesamt 1,4 Milliarden Dollar aus. Etwa 1,1 Milliarden Dollar der geschätzten Gesamtkosten wurden laut der Analyse des Unternehmens von den Aktionären getragen, während sich die direkten Kosten für die Boeing-Beschäftigten auf etwa 207 Millionen Dollar beliefen.
Die Boeing-Aktie war bereits vor dem Abstimmungsergebnis der Beschäftigten unter Druck geraten und ging an der Wall Street mit einem Abschlag von 1,8 Prozent auf 157,06 Dollar in den Feierabend. Am Donnerstag notiert die Boeing-Aktie nun deutlich weiter abgeschwächt bei 152,25 Dollar.
Mehrere Analysten bleiben derweil zuversichtlich für Boeing gestimmt. Die kanadische Bank RBC etwa hat die Einstufung für Boeing auf "Outperform" mit einem Kursziel von 200 Dollar belassen. Die am Mittwoch vorgelegten Quartalszahlen (DER AKTIONÄR berichtete) deckten sich mit den bereits zuvor vorgelegten Eckdaten, schrieb Analyst Ken Herbert in einer aktuellen Studie. Der Fokus des Managements richte sich derzeit auf den Streik beim Flugzeugbauer, und die Investoren dürften dem neuen Chef Ortberg ausreichend Zeit einräumen, um bei Boeing die Wende hinzubekommen.
In einer Telefonkonferenz zu den Quartalsergebnissen sagte Boeing voraus, dass das Unternehmen auch in 2025 Barmittel verbrauchen werde. Jefferies-Analystin Sheila Kahyaoglu sagte, dass die Entscheidung, den Streik zu verlängern, den erwarteten Liquiditätsabfluss verschlimmern könnte.
Die schweizerische Großbank UBS bestätigt ein Kursziel 215 Dollar und lässt ihre Einstufung für Boeing auf "Buy". Die Quartalszahlen seien hauptsächlich von den Streiks geprägt gewesen, schrieb Analyst Gavin Parsons am Mittwoch. Im Blick stehe nun eine mögliche Kapitalerhöhung.
Die gut fünfjährige Durststrecke des Flugzeugbauers dürfte sich mit dem anhaltenden Streik noch verlängern. Die angespannte Finanzlage des Industrie-Riesen macht auch eine schnelle Erholung der Boeing-Aktie wenig wahrscheinlich. Denn der anhaltende Streik kostet den Konzern hohe dreistellige Millionen-Summen. Nur eine schnelle Einigung würde Milliarden-Verluste verhindern.
Kurzfristig erscheint ein Test der Tiefstände von Anfang Oktober bei 146,30 Dollar nicht ausgeschlossen. Anleger bleiben vor diesem Hintergrund vorerst an der Seitenlinie.
Wer hingegen den Einstieg auf dem gedrückten Boeing-Niveau wagen möchte, kann Boeing gemeinsam mit sieben weiteren Unternehmen der Luft- und Raumfahrt-Branche erwerben. Im Weltraum Index von DER AKTIONÄR finden sich unter anderem Airbus, Amphenol, Heico und Lockheed Martin. Mit einem Zertifikat – etwa WKN DA0AB7 – können Anleger von der Entwicklung gleich von acht aussichtsreichen Branchen-Größen profitieren.
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(Mit Material von dpa-AFX)
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Der Vorstand der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Leon Müller, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Boeing.