Sollten Alibaba und Tencent tatsächlich kurzfristig auf eine schwarze Liste der USA aufgenommen werden, wäre US-Bürgern der Kauf der Aktien schon ab Montag verboten. Andere China-Unternehmen wird es definitiv treffen. Ein Blick auf die kurzfristige Kursentwicklung zeigt jedoch: Von Panik kaum eine Spur! Dafür gibt es mehrere Gründe.
Kommt das Delisting, wäre das grundsätzlich ein belastender Faktor für die Kurse. Siehe China Mobile: Der Kurs des weltgrößten Mobilfunkanbieters war in den vergangenen Tagen sehr volatil. Erst hatte es geheißen: Delisting. Dann doch nicht. Dann doch wieder: Ausschluss vom Handel in New York. Andererseits gab es keinen massiven Einbruch direkt nach der Delisting-Entscheidung. Das spricht gegen die Befürchtung einiger Privatanleger, ihre Aktien könnten bei einer Delisting-Entscheidung praktisch sofort wertlos werden.
Selbst bei Aktien, von denen bereits bekannt ist, dass sie von den US-Börsen fliegen, kaufen einige Investoren bereits im Vorfeld die Rücksetzer und federn den Abschwung etwas ab. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet beispielsweise, dass sich beim Eisenbahn-Unternehmen China Railway Construction die Zahl der in Festlandchina gehaltenen Anteile inzwischen verdreifacht hat. Wobei die Lage bezüglich chinesischer Festland-Investoren beispielsweise bei Alibaba und JD.com wieder anders aussieht (siehe Artikel: Doppel-Dämpfer aus Hongkong).
Die Argumente der Schnäppchenjäger: Durch ein Delisting von Aktien werden die Unternehmen dahinter nicht schlechter. Zudem könnte der kommende US-Präsident, Joe Biden, das Trump-Dekret zurücknehmen. Noch ist außerdem keine Entscheidung gefallen. Der Haupthandelsplatz für Tencent ist ohnehin Hongkong. Alibaba hat dort zumindest ein zweites Standbein – wobei ein Delisting an der New York Stock Exchange aus rechtlichen Gründen auch in Hongkong zu Problemen führen könnte.
DER AKTIONÄR meint: Ein (längerfristiges) Delisting von Alibaba und Tencent ist eher unwahrscheinlich. Ein gewisses Risiko lässt sich aber nicht von der Hand weisen. Besonders für kurzfristig orientierte Trader handelt es sich um eine kaum kalkulierbare Situation. Sollten die Schwergewichte Alibaba und Tencent (kombinierter Börsenwert: mehr als 1,2 Billionen Dollar) tatsächlich auf der schwarzen Liste landen, würde die Volatilität definitiv zunehmen. Gleichzeitig könnte die Handelbarkeit zeitweise erschwert sein, auch wenn deutsche Anleger natürlich nicht dem Kaufverbot unterliegen würden.
Mehr dazu lesen Sie auch nächste Woche in der neuen Ausgabe von DER AKTIONÄR. Dabei wird es auch um die unterschiedlichen Anteilsnummern und -arten bei Alibaba und Co gehen und die Frage, welche Regulierungen die chinesische Regierung plant. In der aktuellen Ausgabe finden Sie bereits sechs Seiten zum komplizierten Verhältnis zwischen Alibaba-Gründer Jack Ma und der chinesischen Regierung, dazu Kurzeinschätzungen zu Alibaba und Tencent.
Der Autor hält unmittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren: Alibaba.