Auf einmal reagiert die deutsche Presse völlig aufgescheucht: Jack Ma ist weg! Das berichten unter anderem Handelsblatt, FAZ und tagesschau.de. Welt.de fragt gar: „Sitzt er in den Kerkern des China-Regimes?“ DER AKTIONÄR bringt Ordnung in die Aufregung und analysiert die Auswirkungen auf die Alibaba-Aktie.
Fakt ist: Aufmerksamen Beobachtern ist längst aufgefallen, dass Alibaba-Gründer Jack Ma seit seiner etwas unglücklichen Rede in Schanghai abgetaucht ist. Einige Aussagen Mas hatten wohl unter anderem zur kurzfristigen Absage des Mega-Börsengangs der ebenfalls von Ma gegründeten Ant Group (auch bekannt als Ant Financial) im vergangenen November geführt.
Einen wirklichen Anlass, genau JETZT diese Geschichte zu veröffentlichen, gibt es nicht – sieht man davon ab, dass in den Wirtschaftsredaktionen zum Jahreswechsel traditionell Nachrichten-Ebbe herrscht. Die Eigenleistung in den deutschsprachigen Massenmedien beschränkt sich im Zweifel auf ein Anpassen der Tonart. Die chinakritische Welt raunt zum Thema Jack Ma beispielsweise: „Vieles deutet darauf hin, dass er kaltgestellt wurde. Er wäre nur das jüngste Opfer eines immer brutaler agierenden Willkürregimes.“ Weiter wird spekuliert, ob Mas „Haut nun unter den reichen KP-Bonzen verteilt wird“. Quellen? Fehlanzeige.
Tatsächlich bekannt ist lediglich, dass sich Ma zurückgezogen hat. Twitter, Fernsehauftritte: gestrichen. Alibabas Finanzchefin Maggie Wu hat seinen Posten im Alibaba-Verwaltungsrat schon vor der Rede in Schanghai übernommen (DER AKTIONÄR berichtete, siehe Artikelliste am Textende). Bloomberg hatte zudem unter Berufung auf chinesische Insider bereits vor mehreren Tagen gemeldet, dass Ma dazu aufgefordert worden sei, das Land nicht zu verlassen.
Was bedeutet das für die Alibaba-Aktie? Jack Ma spielt im operativen Tagesgeschäft bei Alibaba keine Rolle mehr. Er hält auch nicht die Mehrheit an Alibaba. Die Berichte schüren allerdings die Verunsicherung der Anleger. Alibaba ist derzeit ohnehin im Visier der chinesischen Behörden. Die Partei demonstriert ihre Macht – und will die der China-Big-Tech-Giganten beschneiden. Andererseits dürfte die Führung kein Interesse daran haben, ausländische Investoren und heimische Unternehmer über Gebühr zu verschrecken. Ausgang: ungewiss. Die AKTIONÄR-Empfehlung wurde mit deutlichem Gewinn ausgestoppt. Risikoscheue Anleger warten eine Beruhigung der Lage ab.
Ein ausführlicher Artikel zur Situation um Jack Ma erscheint auf sechs Seiten in der nächsten Ausgabe von DER AKTIONÄR.Der Autor hält unmittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren: Alibaba.