FRANKFURT/WIEN (dpa-AFX) - Die zuletzt begehrten Aktien aus dem Bankensektor haben am Montag in einem Umfeld einbrechender Börsen besonders stark verloren. Die verstärkten geopolitischen Spannungen im Zuge der Ukraine-Krise wurden dafür ebenso verantwortlich gemacht wie die etwas schwindende Fantasie von recht bald steigenden Zinsen in der Eurozone.
Für die Titel der Deutschen Bank
Europaweit wurden Aktien aus der Branche schwungartig verkauft: Der Branchenindex sank um mehr als vier Prozent. Erst am Donnerstag war er in Erwartung einer raschen Zinswende auch in der Eurozone auf den höchsten Stand seit August 2018 geklettert.
Die deutlichsten Kursverluste im Sektorindex verzeichneten die Anteilsscheine der österreichischen Raiffeisen Bank International
Angesichts des Aufmarschs Zehntausender russischer Soldaten an der Grenze zur Ukraine hatte die US-Regierung am Freitag davor gewarnt, dass Russland möglicherweise noch vor dem Ende der Olympischen Winterspiele am 20. Februar das Nachbarland angreifen könnte. Der Kreml dementiert solche Vorwürfe vehement. Für möglich gehalten wird auch, dass der Kreml eine Drohkulisse aufbauen will, um eigene Sicherheitsforderungen durchzusetzen. Moskau verlangt etwa ein Ende der Nato-Osterweiterung und einen Verzicht auf eine mögliche Aufnahme der Ukraine in das westliche Militärbündnis.
Börsianer sorgen sich am Montag allgemein stark wegen einer möglichen Eskalation des Ukraine-Konflikts und dessen Folgen, sowohl aus menschlicher, politischer als auch wirtschaftlicher Sicht. Bank-Aktien waren zuletzt wegen der Zinsaussichten sehr gefragt, wie ein Kursplus der Deutschen Bank von etwa einem Drittel binnen drei Wochen zeigte. Am Montag machte nun aber nicht mehr die Perspektive steigender Zinsen die großen Schlagzeilen, sondern die Furcht vor einer militärischen Auseinandersetzung.
Die Russland-Krise habe die Zinswende als Hauptfaktor an den Börsen vorerst abgelöst, sagte Marktbeobachter Thomas Altmann von QC Partners. Er fürchtet, dass ein Anstieg der Energiepreise die wirtschaftliche Erholung von der Pandemie jäh abwürgen könnte. Im Gegenzug würden Staatsanleihen erstmals seit längerer Zeit wieder stärker nachgefragt, was die Renditen und damit die Marktzinsen wieder kleiner werden lässt. "Die ersten spekulieren jetzt darauf, dass die Straffung der Geldpolitik im Fall einer militärischen Auseinandersetzung und eines dadurch ausgebremsten Wirtschaftswachstums langsamer vollzogen werden könnte", fuhr Altmann fort.
Ein Händler verwies unterdessen auf ein Interview mit dem irischen Zentralbank-Chef Gabriel Makhlouf in der "Financial Times". Darin hatte Makhlouf es als sehr unrealistisch bezeichnet, dass die Europäische Zentralbank (EZB) im Juni ihre Zinsen erhöhen werde. Zuletzt hatte es vermehrt Spekulationen gegeben, dass auch die Notenbank der Eurozone wegen der aktuell hohen Inflation immer stärker unter Druck gerät, ihren geldpolitischen Kurs zu straffen - und schon bald an der Zinsschraube drehen könnte.
Bereits Ende vergangener Woche hatten Anleger Aussagen der EZB-Präsidentin dahingehend gedeutet, dass rasche Zinserhöhungen wohl erst einmal nicht bevorstehen. Christine Lagarde fürchte nach eigener Aussage nicht, dass höhere Tarifabschlüsse die Inflation weiter anheizen könnten. In den meisten Eurostaaten, darunter Deutschland, seien die Lohnforderungen ausgesprochen moderat.
Für Banken sind steigende Zinsen derweil ein zweischneidiges Schwert, weil sie auch die Finanzierungskosten der Institute erhöhen. So war ein Indikator für Credit Default Swaps, der anhand der Zinsdifferenzen (Spreads) die Ausfallrisiken von Krediten oder Anleihen misst, jüngst auf den höchsten Stand seit Dezember gestiegen.
Vor diesem Hintergrund hatten die Analysten der Bank of America europäische Bankenaktien am Freitag auf "Marktgewichtung" herabgestuft. Begründet wurde dies mit der sich abschwächenden Konjunktur, der Ausweitung der Spreads und einem moderaten Anstieg der Anleiherenditen.
Hinzu kamen bei der Deutschen Bank und der Commerzbank zuletzt Spekulationen über Veränderungen in der Aktionärsstruktur. In den vergangenen Tagen gab es im Falle der Deutschen Bank Berichte, dass der Finanzinvestor Cerberus seine Beteiligungen weiter reduziert hat. Bei der Commerzbank wurde am Montag auf eine Aussage des Bundesfinanzministers Christian Lindner (FDP) im "Handelsblatt" verwiesen, wonach der Bund nicht auf Dauer an der Commerzbank beteiligt bleiben sollte./tih/la/stw/stk
Quelle: dpa-AFX