Den Aktienmärkten setzt derzeit ein ziemlich toxisches Gemisch aus Problemen zu. Schlechte US-Arbeitsmarktdaten entfachen Ängste vor einer globalen Rezession. Mit der Korrektur der hoch bewerteten US-Technologie-Titel ist die Wahrscheinlichkeit weiterer Verluste an der Nasdaq gestiegen. Zudem verunsichern China und der Nahe Osten. Der Wochenausblick.
"Aus Zinssenkungshoffnung wird Rezessionsangst", überschrieb Analyst Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets seinen Börsenkommentar am Freitag. Der DAX eröffnete bereits mit einem Gap, beschleunigte dann nach einem schwachen US-Arbeitsmarktbericht seine Talfahrt. Zum Handelsende büßte der deutsche Leitindex 2,3 Prozent auf 17.661 Punkte ein. Damit erlitt er den größten Tagesverlust seit März 2023 und erreichte den tiefsten Stand seit April. Der VDAX-new, Maß für die Volatilität, erreichte das Niveau von Oktober 2023, als der DAX bis auf 14.675 Zähler abrutschte.
Der Wochenverlust für den DAX summiert sich auf 4,1 Prozent – der höchste seit zwei Jahren. Für 2024 schmilzt der Gewinn damit auf 5,4 Prozent zusammen. Am Sonntag-Morgen steht die IG-Indikation zum Weekend-DAX mit etwa 17.615 Punkten nochmals etwa tiefer. Allmählich rückt auch die 200-Tage-Linie näher – sie verläuft aktuell bei 17.400 Punkten (siehe Chart). Darunter liegen kleinere technische Unterstützungen beim Februar-Tief bei 16.861 und beim Jahrestief bei 16.345 Punkten.
Hoffnung durch deutsche Konjunkturdaten
Auch die jüngsten Daten für die Industrie in China und den USA sorgten zuletzt für schlechte Laune am Aktienmarkt. Der lange Zeit boomende US-Arbeitsmarkt kühlt sich zwar wie vielfach erhofft ab und spricht für eine baldige Zinswende in den USA. Doch eine erste Zinssenkung der Währungshüter um US-Notenbank-Chef Jerome Powell ist laut Analysten bereits in den Aktienkursen eingepreist. Gleichzeitig bestärkten die Daten die Ängste der Anleger nun vor einer globalen Rezession.
Eine gewisse Entspannung könnte es mit deutschen Konjunkturdaten geben. Am Dienstag stehen die Daten zu den deutschen Industrieaufträgen im Juni an. Am Mittwoch folgen Produktionsdaten für Juni, die Hinweise darauf geben, wie die Wirtschaft gegen Ende des zweiten Quartals gelaufen ist. Zuvor befragte Fachleute erwarten jeweils einen Anstieg um ein Prozent. Dies wäre ein Hoffnungszeichen, denn im Mai hatte sich die Flaute in dem wichtigen Wirtschaftszweig mit dem fünften Auftragsminus in Folge fortgesetzt.
Ebenfalls zur Wochenmitte werden die Ausfuhr-Daten des Statistischen Bundesamts für Juni zeigen, wie es um die deutsche Exportwirtschaft bestellt ist.
Fed zu spät dran?
An den Aktienmärkte könnte die zuletzt so günstige Prognose zur Makulatur werden. "Lange Zeit sah es so aus, als würde sich für Aktien ein goldenes Szenario einstellen: Die Konjunktur läuft und gleichzeitig senken die Notenbanken die Zinsen", so die Experten der Helaba. "Zuletzt haben sich die Zweifel daran verstärkt." Damit könnten sich Befürchtungen, die Skeptiker hinsichtlich der US-Geldpolitik schon länger hegen, bewahrheiten. "Es mehren sich die Stimmen, dass die Fed mit ihren geldpolitischen Lockerungen bereits zu spät dran ist", gibt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, zu bedenken.
Dass die Europäische Zentralbank bereits die Zinsen gesenkt hat und sich auf einem moderateren Zinsniveau als die US-Notenbank bewegt, ist nur ein kleiner Trost. Denn die wirtschaftliche Lage in Deutschland als größter Volkswirtschaft Europas ist alles andere als rosig. "Die jüngste Veröffentlichung der Daten zum Bruttoinlandsprodukt zeigt, dass sich die konjunkturelle Erholung verzögert und damit nicht so abläuft wie erwartet", stellen die Experten der Helaba mit Blick auf im zweiten Quartal geschrumpfte Wirtschaftsleistung fest – zumal auch die Prognose für das Gesamtjahr verhalten ist.
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Pulverfass Naher Osten
Dazu kommen wachsende politische Spannungen. "Im Nahen Osten folgt Vergeltungsschlag auf Vergeltungsschlag, weshalb sich Israel und die USA jetzt auf einen Großangriff aus dem Iran einstellen", so Kapitalmarkt-Stratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets. "Schon oft war von einem drohenden Flächenbrand in der Region die Rede, aber noch nie war das Risiko so hoch wie heute."
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass sich der DAX charttechnisch inzwischen in schwierigem Terrain befindet. "Der deutsche Leitindex ist deutlich zurück im kurzfristigen Mai-Abwärtsmodus", sagt Martin Utschneider, technischer Analyst beim Vermögensverwalter Donner & Reuschel. Eine erste Unterstützung liege nun bei 17.619 Punkten, wo der DAX im März einen Tiefpunkt hatte.
Die in der neuen Woche noch anstehenden, zahlreichen Quartalsberichte deutscher Unternehmen (aus dem DAX Infineon, Bayer, Zalando, Siemens Energy, Commerzbank, Continental, Beiersdorf, Allianz, Deutsche Telekom, Munich Re, Rheinmetall und Siemens) werden an der angespannten Lage wohl ebenso wenig ändern wie die Wirtschaftsdaten.
Im Gegenteil: Der Sentix-Konjunktur-Index könnte gleich am Montag die schwierige Situation noch unterstreichen. "Angesichts der unveränderten politischen Herausforderungen und enttäuschender Konjunkturindikatoren dürften die Finanzmarktanalysten abermals pessimistischer werden", befürchtet Volkswirt Kater. – Doch zu den günstigen Kursen dürfte auch der eine oder andere längerfristig orientierte Anleger zugreifen (Kauflimits setzen!). (Mit Material von dpa-AFX)
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