Der DAX ist in eine brisante Situation geraten, die ein weiteres Abrutschen wahrscheinlich macht. Doch noch ist nichts entschieden. Ob sich die Stimmung in der von Exportflaute, Konsumschwäche und Industrie-Rezession gebeutelten deutschen Wirtschaft weiter verschlechtert oder es wieder aufwärts geht, dürfte gleich am Montag der Ifo-Index zeigen. Der Wochenausblick.
Die Anleger am deutschen Aktienmarkt dürften in den kommenden Tagen die geldpolitischen Signale wichtiger Notenbanken weiter verarbeiten. Die Fed, die Bank of England und die Schweizerische Nationalbank SNB hatten ihre Zinsen zwar nicht weiter angehoben, die schwedische und die norwegische Notenbank hingegen schon. Überall wurden weitere Erhöhungen nicht ausgeschlossen. Die Anleger müssen sich wohl oder übel mit dem Szenario von hohen Zinsen für längere Zeit anfreunden.
Diese Zinssorgen halten Börsianer von größeren Aktienkäufen ab. Immerhin hat eine Stabilisierung der US-Börsen dem DAX am Freitag einen recht versöhnlichen Wochenabschluss beschert. Der deutsche Leitindex ging bei 15.557 Punkten nur leicht abgeschwächt ins Wochenende, nachdem er zeitweise unter die Marke von 15.500 Punkten gerutscht war. Auf Wochensicht verlor der DAX letztlich 2,1 Prozent, hielt sich am Ende aber knapp über der gleitenden 200-Tage-Durchschnittslinie, einem wichtigen Gradmesser für den längerfristigen Trend.
Chart-Unterstützung muss halten
"Es ist in den kommenden Handelstagen wichtig, dass das Kursniveau von 15.450 Punkten gehalten wird", kommentierte Marktbeobachter Andreas Lipkow mit Blick auf den DAX am Freitag. Ansonsten könne der Leitindex sehr schnell weiter sinken. Am 7.Juli hatte der DAX bei 15.456 Punkten ein Verlaufstief markiert.
Aus charttechnischer Sicht rückte vor dem Wochenende die 200-Tage-Linie als Indikator für den langfristigen Trend ins Blickfeld, die aktuell bei 15.549 Punkten verläuft (leicht steigend). Sie bietet eine wichtige Unterstützung. Wird sie auf Tagesschluss-Basis unterschritten, stände wohl schnell auch die 15.000er-Marke zur Disposition.
Bei knapp 14.500 Zählern hatte der DAX im März ein Zwischentief markiert, darunter winkt das Jahrestief bei 14.000 Punkten. Aktuell fehlen fundamentale Faktoren, um dem DAX einen Rebound in charttechnisch bessere Regionen zu ermöglichen. Am Sonntag-Morgen wurde der DAX vom Broker IG übrigens bei gut 15.500 Punkten taxiert.
Wirtschaftswachstum lässt zu wünschen übrig
Die Leitzinsen waren im vergangenen und in diesem Jahr stark erhöht worden, um die auch infolge des Ukraine-Kriegs deutlich gestiegene Inflation zu bekämpfen. Jetzt rücken Wachstumssorgen immer mehr in den Vordergrund, nachdem sich die Teuerung abgeschwächt hat. Allerdings sorgen die zuletzt gestiegenen Ölpreise für neue Inflationsgefahren. Jüngst hat auch der russische Exportstopp von Benzin und Diesel für Aufsehen gesorgt. Aus Sicht der Rohstoff-Experten der Commerzbank nimmt der Druck auf die internationalen Märkte damit zu.
Der Preis für ein Barrel (159 Liter) Öl der Nordseesorte Brent liegt mittlerweile über 93 US-Dollar. Auch die 100-Dollar-Marke ist in den kommenden Monaten möglich und lässt Hoffnungen auf eine sinkende Inflation verpuffen. "In der aktuellen Situation am Ende des Inflationstunnels ist dieser Umstand nicht hilfreich", konstatierte Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. Zwar schauten die Notenbanken gelassen auf schwankende Rohölpreise, aber zu starke Impulse von dieser Seite seien nicht erwünscht.
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Doch anderen Experten zufolge könnten die Anleger nach dem ersten Schreck wieder Mut schöpfen. "Obwohl eine straffere US-Notenbank-Politik schon seit Wochen wieder als Gift für die Konjunktur gehandelt wird, werden sich die negativen Auswirkungen für die Börsen in Grenzen halten", glaubt Sven Streibel, Chef-Aktienstratege der DZ Bank. Die weiterhin robust laufende US-Wirtschaft stütze mittelfristig die Aktienmärkte auf beiden Seiten des Atlantiks. "Der DAX sollte sogar stärker profitieren, weil die USA ein Hauptabsatzmarkt für die Export-Champions der deutschen Wirtschaft sind."
Wichtige Konjunktur-Termine
Wo die Notenbanken im Kampf gegen den Preisauftrieb bisher stehen, zeigen auch wichtige Konjunktur-Termine der Woche: Am Donnerstag stehen die Verbraucherpreise für den September in Deutschland auf der Agenda, am Freitag folgen Inflationsdaten aus der Eurozone. Aus Sicht von Carsten Mumm, Chefvolkswirt der Privatbank Donner & Reuschel, müssen sich die Anleger darauf einstellen, dass "die Komponente Energie nicht mehr inflationsdämpfend wirkt". Im August waren die Verbraucherpreise in Deutschland um 6,1 Prozent gestiegen, stärker als erwartet. In der Eurozone ging die Inflation überraschend auf 5,2 Prozent zurück.
Laut Metzler-Chefvolkswirt Edgar Walk dürfte die Eurozonen-Inflation erst einmal weiter fallen, da vorerst noch die Basiseffekte unterstützend im Hinblick auf die Energiepreis-Entwicklung wirken würden. Erst im Dezember drohe ein Anstieg aufgrund der aktuellen Ölpreisentwicklung. "Vorerst dürfte somit die Europäische Zentralbank nicht unter Druck stehen, den Leitzins weiter anheben zu müssen", schrieb Walk. Die EZB habe aber signalisiert, dass sie ein höheres Gewicht auf die Gefahren durch die Inflation lege als auf die Konjunkturrisiken.
Ifo-Index dürfte sich weiter eintrüben
Doch vor den Inflationsdaten erwarten die Anleger am Montag zunächst das Ifo-Geschäftsklima. Die Experten der LBBW rechnen zum fünften Mal in Folge mit einer Eintrübung, "weil sich insbesondere die Einschätzung der aktuellen Lage nochmals merklich verschlechtert." Immerhin dürfte sich das Tempo des Abwärtstrends verlangsamen, da bei der Erwartungskomponente eine Bodenbildung zunehmend wahrscheinlicher werde.
Experte Stefan Mütze von der Helaba erwartet dagegen ein stabiles Ifo-Geschäftsklima: "Der jüngste Anstieg des deutschen Einkaufsmanagerindex im Verarbeitenden Gewerbe weist darauf hin, dass sich die Lagebeurteilung allmählich aus dem tiefen Keller befreien kann." Auch die Dienstleister seien zuletzt positiver gestimmt gewesen. Dies bedeute aber noch keine konjunkturelle Wende. Darüber hinaus dürften die Anleger dem GfK-Verbrauchervertrauen für Oktober am Mittwoch Beachtung schenken.
Kein Wachstum in 2023?
Am Donnerstag legen zudem die führenden deutschen Forschungsinstitute ihre Konjunkturprognose vor. Viele Ökonomen erwarten für 2023 mittlerweile ein Schrumpfen des Bruttoinlandsprodukts, so dass auch die Institute ihre Prognose kappen dürften. Im Frühjahr hatten sie eigentlich ein Plus bei der Wirtschaftsleistung für dieses Jahr von 0,3 Prozent veranschlagt.
Unternehmensseitig dürfte es weiter ruhig zugehen. Es stehen lediglich Jahreszahlen von Biokraftstoff-Hersteller Verbio am Dienstag an, am Mittwoch folgen Quartalszahlen der Baumarktkette Hornbach sowie Jahreszahlen von Saatgut-Hersteller KWS Saat. Am Donnerstag meldet noch Borussia Dortmund ihre endgültigen Jahreszahlen.
Für den Linux-Spezialisten SUSE steht wegen der geplanten Komplett-Übernahme durch seinen Großaktionär EQT der Abschied aus dem Kleinwerte-Index SDAX bevor. Die Offerte des Finanzinvestors, der zuvor bereits 79 Prozent der Anteile gehalten hatten, lief am Freitag aus. Nachfolgen dürften Anfang Oktober About You oder Takkt. (Mit Material von dpa-AFX)
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