Am 20. September wurde erstmals öffentlich, dass eine große Zahl von VW-Diesel-Fahrzeugen mit einer manipulierten Abgas-Software ausgestattet ist. Die Reaktion der Börse war verheerend. Der Wert der Aktien des Wolfsburger Autokonzerns fiel innerhalb kürzester Zeit um fast 50 Prozent. Für betroffene Aktionäre stellt sich vor diesem Hintergrund natürlich die Frage, ob und wenn ja, in welcher Höhe ihnen ein Schadensersatzanspruch zusteht.
„Doch bevor man den – in der Regel nicht ganz billigen – Rechtsweg beschreitet, lohnt ein Blick auf die Fakten: Börsennotierte Unternehmen sind in Deutschland gesetzlich verpflichtet, kursrelevante Informationen im Rahmen einer Adhoc-Meldung unverzüglich zu veröffentlichen. Wird das versäumt, kann eine Schadenersatzpflicht entstehen. Ob das bei Volkswagen der Fall war, untersucht gerade die Börsenaufsicht BaFin“, sagt Marc Tüngler Hauptgeschäftsführer der DSW (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz).
Ganz schlecht stehen die Chancen für die Anleger nicht. „Immerhin spricht der Zeitablauf für einen zu späten Versand der Adhoc-Meldung. So wurde Volkswagen von den zuständigen US-Umweltbehörden bereits Mitte Mai 2014 darüber informiert, dass zwei VW-Diesel-Modelle bei einem Test die vorgeschriebenen Grenzwerte um das bis zu 40fache überschritten hatten. Den Einsatz von Manipulationssoftware gestand der Autokonzern gegenüber den US-Behörden wohl bereits am 3. September 2015 ein. Die entsprechende Adhoc ging dann am 22. September raus“, sagt Tüngler.
In engem Zusammenhang mit der Frage, wann die Adhoc denn nun eigentlich hätte veröffentlicht werden müssen, steht die ebenfalls noch ungeklärte Frage, wann genau das Ganze verjährt. „Erfreulich für betroffene Anleger: In keinem der möglichen Szenarien ist Hektik geboten. Eine eindeutige Antwort gibt es gegenwärtig aber auch noch nicht. Das liegt liegt nicht zuletzt an einer veränderten Rechtslage. Seit dem 10. Juli 2015 gelten die allgemeinen zivilrechtlichen Verjährungsregelungen, die drei Jahre ab Kenntnis betragen, aber erst mit dem Schluss des Jahres beginnen, in dem der Anspruch entstanden ist. Vorher lag die Verjährungsfrist in solchen Fällen bei einem Jahr ab Kenntnis. Die Folge: Ansprüche, die bis zum 10. Juli nicht verjährt waren, können somit auch noch nach drei Jahren geltend gemacht werden“, ergänzt der Experte.
„Nun gibt aber durchaus Stimmen, die eine Pflichtverletzung durch VW bereits zu einem deutlich früheren Zeitpunkt sehen wollen. Hier sollte sich jeder Anleger selbst die Frage stellen, wann er erstmalig erfuhr, dass VW die Software manipuliert hat. Das wird wohl kaum vor dem 22. September 2015 der Fall gewesen sein.
Vor diesem Hintergrund rät die DSW, die Zeit zu nutzen, um so viele Informationen zu sammeln wie möglich, statt schon jetzt einen Anwalt zu mandatieren“, öautet Tünglers Fazit.