Angesichts der Ausweitung des Wirecard-Skandals fordert die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) rückhaltlose Aufklärung - inklusive der Rolle der Staatsanwaltschaft. „Es ist dringend notwendig, dass der Sachverhalt und auch das Agieren der BaFin und der Staatsanwaltschaft in den letzten Jahren aufgearbeitet wird und einer externen Untersuchung unterzogen wird", sagte SdK-Vorstandsvorsitzender Daniel Bauer am Donnerstag auf Anfrage.
„Dass sich die Organe von Wirecard trotz der gravierenden Vorwürfe so leicht Zugang zu politischen Eliten im Lande verschaffen konnten, ist aus unserer Sicht beängstigend." Es müsse auch geklärt werden, ob eventuell auch von politischer Seite in der Vergangenheit Einfluss auf die Finanzaufsichtsbehörde Bafin und auf die Staatsanwaltschaft genommen wurde.
Deutschlands größter Betrugsfall seit 1945
Die Münchner Staatsanwaltschaft hatte am Mittwoch bekannt gegeben, dass sie nun wegen „gewerbsmäßigen Bandenbetrugs" gegen die ehemalige Konzernspitze ermittelt - faktisch der Vorwurf schwerer organisierter Kriminalität. Der Schaden für die kreditgebenden Banken und Investoren könnte sich auf 3,2 Milliarden Euro summieren, der womöglich größte Betrugsfall seit 1945 in Deutschland.
Scheingewinne seit 2015
Bauers Kritik bezieht sich darauf, dass der mutmaßliche Milliardenbetrug eine jahrelange Vorgeschichte hat. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Wirecard-Vorstand seit 2015 Scheingewinne erfand. Ex-Vorstandschef Markus Braun, der frühere Finanzvorstand Burkhard Ley und zwei weitere Manager sitzen in Untersuchungshaft.
Lückenlose Aufklärung gefordert
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte noch 2019 in China für den Markteintritt von Wirecard in der Volksrepublik geworben, als der Bafin die Vorwürfe gegen Wirecard bereits bekannt waren. „Wir gehen davon aus, dass erst weniger als zwanzig Prozent des Ausmaßes des Wirecard-Skandals bekannt sind, und sind aufgrund der Indizienlage der festen Überzeugung, dass auch ein Blick in die Jahre vor 2015 lohnenswert sein wird", sagte SdK-Vorstand Bauer.
FDP-Chef Christian Lindner sagte der Funke-Mediengruppe: „Es ist für mich schier unvorstellbar, dass seit 2015 in dieser Größenordnung getrickst wird, ohne dass jemand Notiz davon nimmt." Die Affäre sei im Zentrum der Berliner Regierungspolitik angekommen. Lindner bekräftigte im Falle weiter unbeantworteter Fragen die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss. Dass die Bundeskanzlerin im Ausland für deutsche Unternehmen werbe, sei selbstverständlich. „Aber ich gehe davon aus, dass zuvor die Seriosität und Integrität geprüft wird, wenn sich die Kanzlerin für ein Unternehmen verwendet."
Bei der Wirecard-Aktie scheint derweil ohnehin alles verloren – Anleger sollten hier nicht mehr auf eine nachhaltige Erholung spekulieren. Stattdessen können geschädigte Aktionäre die Teilnahme an einer Sammelklage in Erwägung ziehen, um die entstandenen Verluste zumindest teilweise auszugleichen.
(Mit Material von dpa-AFX)
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