Wirecard hat am Freitagnachmittag per DGAP-Meldung umfassende Veränderungen im Vorstand und eine Verbesserung der organisatorischen Prozesse in Aussicht gestellt. Es ist als Reaktion auf die harsche Kritik am Krisenmanagement des DAX-Konzerns und den jüngsten Kurseinbruch der Aktie zu verstehen.
Laut der Mitteilung wird der US-Amerikaner Dr. James H. Freis zum 1. Juli 2020 in den Konzernvorstand berufen und dort das neu geschaffene Ressort „Integrity, Legal and Compliance" verantworten. Dort sollen die Bereiche Recht, Vertragswesen und Compliance gebündelt werden.
Freis Werdegang mit Stationen bei der Deutschen Börse, der internationalen Anwaltssozietät Cleary Gottlieb Steen & Hamilton sowie als Director des United States Department of the Treasury's Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN) belegen dessen Erfahrung in den Bereichen Regulierung und Compliance.
Zwei weitere Vorstandsposten
Darüber hinaus hat der Wirecard-Aufsichtsrat beschlossen, den Vorstand um zwei weitere Sitze und damit auf insgesamt sieben Mitglieder zu erweitern: Ein Chief Commercial Officer soll künftig das neu geschaffene Vertriebsressort leiten, wo sämtliche Vertriebsaktivitäten gebündelt werden.
Das Ressort des Chief Operating Officers wird in seinen Zuständigkeiten neu aufgestellt und künftig die Koordination der Tochtergesellschaften in Europa, Mittlerer Osten und Afrika sowie Asien und die Aktivitäten des Konzerns in Nord- und Südamerika übernehmen. Zudem wird in dem Ressort die Verantwortung für das Personalwesen und das Facility Management angesiedelt.
Auch personell soll der Bereich unter neue Leitung gestellt werden – der bisherige COO Jan Marsalek übernimmt als Chief Business Development Officer im Konzernvorstand stattdessen den Verantwortungsbereich Business Development.
Was wird aus CEO Markus Braun?
Vorstandschef Markus Braun, der sich zuletzt bereits mit Rücktrittsforderungen konfrontiert sah, werde den Schwerpunkt seiner Tätigkeit künftig auf die strategische Weiterentwicklung von Wirecard legen. Dies umfasse strategische Allianzen, Innovationsmanagement, die weitere Geschäftsentwicklung der Gruppe, die Koordination der Geschäftspolitik und der Geschäftsbereiche sowie die Unternehmenskommunikation.
„Der Aufsichtsrat würdigt mit dieser Entscheidung die außerordentlichen und nachhaltigen Wachstumserfolge der Wirecard AG unter der Leitung von Herrn Dr. Braun und schätzt dessen impulsgebende Innovationskraft für das Unternehmen“, heißt es dazu in dem Statement.
Kapitalmarktkommunikation wird Chefsache
Das Finanzressort von CFO Alexander von Knoop soll gestärkt werden. Die zuletzt kritisierte Kommunikation mit dem Finanzmarkt wird im Zuge dessen direkt beim Finanzvorstand angesiedelt. Die Themenfeldern Compliance und Rechtswesen sowie Personalwesen verschwinden dagegen aus dem Verantwortungsbereich des CFO.
Prozesse müssen besser werden
Neben dem großangelegten Vorstandsumbau hat Wirecard auch Maßnahmen zur Verbesserung der organisatorischen Prozesse angekündigt. Dazu habe das Unternehmen bereits ein Compliance-Projekt mit neun Schwerpunkten aufgesetzt: Governance Framework (Verwaltung), Risk Framework (Risikorahmen), Policies & Procedures Framework (Richtlinien & Verfahren), Business Partner Compliance Management, Reporting Framework (Berichtswesen), Controls Framework, Incidents/Investigation/Incentive/Improvement (Vorfälle), Training & Communication sowie Tools & Data.
Wie bereits angekündigt soll im operativen Geschäft die Anhängigkeit von Drittpartnern in Ländern außerhalb Europas reduziert und der Erwerb eigener Lizenzen vorangetrieben werden. Offene Fragen zu über Third-Party-Acquirer (TPA) abgewickelte Transaktionen und deren Höhe sind der Hauptgrund für die derzeitigen Turbulenzen bei dem Zahlungsdienstleister.
Wird er genügen?
Mit dem umfangreichen Maßnahmenpaket reagiert Wirecard auf die harsche Kritik, die dem DAX-Konzern von Seiten der KPMG-Prüfer und der (Groß-) Aktionäre entgegenschlägt. Das kommt bei den Anlegern am Freitagabend gut an: Im nachbörslichen Handel bei Tradegate geht es für die Wirecard-Aktie um fast sechs Prozent nach oben.
Ob es genügt, die enttäuschten Anleger nachhaltig zu besänftigen und den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, muss sich in den kommenden Tagen und Wochen zeigen.