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04.05.2020 ‧ Leon Müller

Wirecard: Game over?

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Wirecard

Wirecard im freien Fall. Mal wieder. Das DAX-Unternehmen hat den lang ersehnten Bericht der Wirtschaftsprüfer von KPMG vorgelegt. Er sollte das Unternehmen aus Aschheim bei München entlasten. Doch das Gegenteil ist eingetreten. Der Bericht stiftet Verwirrung. Kritiker sehen sich bestätigt. Der Ruf nach Konsequenzen wird lauter. Ein Kommentar.

Das Spiel ist aus. Über ein Jahr, nachdem die britische Financial Times erstmals schwere Vorwürfe gegen Wirecard erhoben hat, veröffentlichte der Zahlungsdienstleister aus Aschheim bei München einen – entlastenden – Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Das Spiel sollte damit endlich aus sein. Doch in Wahrheit hat Wirecard mit der Veröffentlichung des Berichtes nur die nächste Runde eingeläutet. Und es sieht nicht gut aus, Wirecard liegt hinten.

Die Entlastung, die erhoffte, erweist sich als das genaue Gegenteil. Wirecard steht mehr denn je am Pranger. Wird angegriffen, wird in Frage gestellt. Die FAZ titelte bereits im November – Monate vor Veröffentlichung des KPMG-Berichtes – Wirecard sei „eine Schande für den DAX“. Dieses harte Urteil ist nicht widerlegt. Die Auffassung von Dr. Markus Braun, dem Vorstandsvorsitzenden der Gesellschaft, die Sonderprüfung der Bücher habe alle Zweifel ausgeräumt, teilt der Markt nicht. Gar nicht. Die Aktie des einstigen Überfliegers hat innerhalb weniger Tage 40 Prozent ihres Wertes eingebüßt. 40 Prozent – auch das ist ein hartes Urteil, das der Markt da über den Wert des Papiers fällt.

Wirecard (WKN: 747206)

Den Schuh muss sich das Unternehmen anziehen, niemand sonst. Dieses Mal kann die Firma nicht mit dem Finger auf Dan McCrum, den unter Wirecard-Anhängern so verhassten Autor der Financial Times, zeigen. Dieses Mal geht es nicht um die Zurückweisung von nicht überprüfbaren Vorwürfen eines Journalisten oder Shortsellers. Dieses Mal geht es um Fakten. Der „Bericht über die unabhängige Sonderuntersuchung“ der Wirecard AG vom 27. April 2020 birgt Sprengstoff für weitere kritische Presseberichte.

Die Tatsache, dass Wirecard am 3. Mai eine Mitteilung veröffentlicht hat, welche die Kernaspekte zusammenfasst und die Zeilen „Jede forensische Prüfung endet mit Sätzen wie: ‚konnte nicht abschließend geklärt werden‘; ‚weder bestätigt, noch widerlegt werden‘; ‚Sachverhalt kann nicht bestätigt werden‘“ enthält, beschreibt ein Szenario, das als PR-Supergau bezeichnet werden muss. Denn: dieser Umstand hätte Wirecard im Vorfeld bekannt sein müssen. Er hätte vorher transparent gemacht werden müssen. Da aber hat das Unternehmen noch verlauten lassen, alle Vorwürfe würden aus der Welt geschafft werden, es gäbe keine Anhaltspunkte für Verdachtsmomemte. Das wurden sie nicht. Stattdessen blinken bei den Marktteilnehmern immer mehr Warnlichter auf.

Wirecard macht bei alldem keine glückliche Figur. Der Bericht von KPMG bestätigt keine nennenswerten Verstöße und Abweichungen. Er bestätigt aber auch nicht, dass alle Zweifel unbegründet wären. Das Ganze ist ein Fiasko, für das Unternehmen selbst, vor allem aber für seine Aktionäre. Der KPMG-Bericht hat es nicht besser gemacht. Er hat die Situation nur noch verschlimmert.

Und dann gibt es da noch die andere Lesart des Berichts, derzufolge das Spiel nun doch aus ist. Die liest sich wie folgt: Wenn KPMG dem Unternehmen kein Fehlverhalten nachweisen konnte – und das konnte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nicht – wer soll es dann? Wenn die Steuerbehörden keine eigenen Ermittlungen anstellen, wenn die BaFin schon nicht einschreitet – was soll dann noch passieren? Diesen Fall angenommen, hat Wirecard mit dem Bericht Absolution erhalten. Dann wird da rückblickend nichts mehr anbrennen.

Doch diese Sichtweise außenvor, wird der Ruf nach Konsequenzen – auch personellen – lauter. Und das vollkommen zu Recht. Jetzt davon auszugehen, es würde einfach so weitergehen, wäre naiv. Es kann so nicht weitergehen, wollen Firma und Aktie zur Ruhe kommen. Game over? Nein, das unwürdige Spiel ist noch nicht aus. Zum Leidwesen der Aktionäre.

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