Der in Turbulenzen geratene Zahlungsabwickler Wirecard muss einen weiteren Nackenschlag verkraften. Nach dem durch EY verweigerten Testat aufgrund fehlender Belege für 1,9 Milliarden Euro auf Treuhänderkonten ("Bilanzunregelmäßigkeiten") und dem Crash der Wirecard-Aktie senkt die Ratingagentur Moody's den Daumen. Die Anleihen von Wirecard wurden am Freitag-Abend nur noch als Ramsch eingestuft. Update: Am Montag hat Moody's Wirecard nun das Rating komplett entzogen.
Moody's Analysten senkten das Rating am Freitagabend zunächst von Baa3 um mehrere Stufen auf B3 (Junk). Diese Kategorie wird üblicherweise von längerfristig orientierten Investoren gemieden. Aufgrund der jüngst bekanntgewordenen Bilanzunregelmäßigkeiten werden die Anleihen von Wirecard jetzt als hochspekulativ eingestuft, hieß es bei Moody's. Eine weitere Abstufung auf ein C-Niveau werde geprüft.
Am Montag-Mittag deutscher Zeit nahm die Ratingagentur die jüngste Einstufung zurück. Moody's begründete den Schritt damit, dass die vorliegenden Informationen unzureichend seien, um die bisherigen Einstufungen aufrecht zu erhalten und überhaupt eine Bewertung über die Kreditwürdigkeit abzugeben.
Anfang Juni hatte die Ratingagentur angekündigt, das ohnehin dürftige Rating Baa3 zu überprüfen. Nun verweisen die Analysten auf die fehlenden Belege für Treuhandgelder in Milliarden-Höhe. Sie sehen zudem Hinweise auf Bilanztäuschung. Die Verschiebung des Testats könnte einen Zahlungsausfall Wirecards und einen hohen und unmittelbaren Refinanzierungsbedarf auslösen.
Wirecard-Aktie crasht
An der Börse sorgte die Abstufung im späten Freitagshandel für fallende Kurse. Nach einem Xetra-Schluss bei 25,83 Euro - nach dem Vortagesverlust von fast 62 Prozent ein weiteres Tagesminus von 35 Prozent - fielen die Wirecard-Aktien nachbörslich auf 24 Euro. Am Montag setzt sich der freie Fall fast ungebremst fort: Zum Xetra-Start sackte die Aktie bis auf 13 Euro ab. Zuletzt notierte Wirecard bei 15 Euro.
Entscheidend für die Zukunft des Unternehmens wird sein, ob die Banken Wirecard den Geldhahn zudrehen und von der Möglichkeit Gebrauch machen, Kredite von zwei Milliarden Euro zu kündigen. Wirecard machte den Anlegern am späten Freitagabend etwas Hoffnung: Das Unternehmen befinde sich in "konstruktiven Gesprächen" mit seinen kreditgebenden Banken. Die Banken wären laut Wirecard zur Kündigung berechtigt, wenn das Unternehmen keinen testierten Jahresabschluss vorlegt. Dem Aktienkurs half das kurzfristig nicht.
Indizien für großen Betrug
Vor Brauns Sturz hatten sich die Indizien für einen Betrugsfall großen Ausmaßes verdichtet. Die philippinische Bank BDO Unibank, bei der angeblich eines von zwei suspekten Treuhandkonten für Wirecard geführt wurde, erklärte am Freitag, dass das deutsche Unternehmen kein Kunde sei: "Das Dokument, in dem die Existenz eines Wirecard-Kontos bei BDO behauptet wird, ist ein manipuliertes Dokument, das gefälschte Unterschriften von Bankangestellten trägt", hieß es in der Stellungnahme des südostasiatischen Geldhauses. "Der Fall ist an die Zentralbank der Philippinen berichtet worden."
Im Mittelpunkt des Bilanzskandals stehen zwei asiatische Banken und ein Treuhänder, der seit Ende vergangenen Jahres für Wirecard die Konten verwaltet. Auf den Konten waren angeblich 1,9 Milliarden Euro verbucht. In der Nacht zum Montag dann eine neue Nachricht vom Wirecard-Vorstand: In einer Mitteilung heißt es, dass die Bankguthaben auf Treuhandkonten in Höhe von insgesamt 1,9 Milliarden Euro "mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht bestehen". Die Gesellschaft war bisher von der Existenz dieser Konten ausgegangen und hatte sie als Aktivposten ausgewiesen.
DWS will Wirecard verklagen
Die zur Deutschen Bank gehörende Fondsgesellschaft DWS will gegen Wirecard und dessen bisherigen Chef vor Gericht ziehen. "Wir verklagen Wirecard und Markus Braun", sagte ein DWS-Sprecher. Der Chef der DWS-Flaggschifffonds, Tim Albrecht, sagte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom Samstag: "Zum Schutze unserer Anleger müssen wir feststellen lassen, inwiefern dem Unternehmen oder auch Herrn Braun Versäumnisse vorzuwerfen sind."
Albrecht betonte: "Wir fordern außerdem einen personellen Neuanfang in Vorstand und Aufsichtsrat. Auch der Vorsitzende Thomas Eichelmann hat jedes Vertrauen nach kürzester Zeit schon aufgebraucht." Die DWS hatte mit ihren Fonds noch vor wenigen Monaten zu den Großaktionären von Wirecard gezählt, ihre Beteiligungen zuletzt aber heruntergefahren. (Mit Material von dpa-AFX)
So bedauerlich der Wirecard-Absturz für die Firma und die noch engagierten Anleger ist - die Zukunft des einst so schillernden deutschen Unternehmens erscheint derzeit in einem düsteren Licht. DER AKTIONÄR hatte Wirecard Mitte Mai (Ausgabe 21/20) angesichts der gestiegenen Risiken von der Empfehlungsliste gestrichen. Vor kurzfristigen Spekulationen, wie sie in derartigen Fällen immer wieder vorkommen, wird gewarnt. Dass sich der DAX-Wert in absehbarer Zeit nachhaltig erholt, ist angesichts der aktuellen Faktenlage wenig wahrscheinlich.
Welche Aktien derzeit deutlich bessere Chancen als Wirecard versprechen, lesen Sie in der neuen Ausgabe von DER AKTIONÄR. Diese können Sie nach Klick auf folgenden Button einfach online downloaden.
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