Die Financial Times hat am Donnerstagmorgen einen weiteren kritischen Artikel zu Wirecard veröffentlicht und darin weitgehend bekannte Fragen im Zusammenhang mit einer Übernahme in Indien aus dem Jahr 2015 aufgegriffen (DER AKTIONÄR berichtete). Inzwischen hat Wirecard selbst eine Stellungnahme veröffentlicht.
Der FT-Artikel wiederhole nur alte Behauptungen, „die zuvor mehrfach Gegenstand unabhängiger Prüfungen waren und sich als unbegründet erwiesen haben“, heißt es darin. Anschließend werden Ablauf und Gründe für die damalige Transaktion erläutert.
Das komplette Wirecard-Statement finden Sie hier.
Mit Blick auf den FT-Bericht besonders wichtig, ist diese Passage: „Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Akquisition in Indien im Oktober 2015 verfügte Wirecard über keinerlei Informationen über die Kaufpreise, die an frühere Aktionäre der erworbenen Vermögenswerte aus früheren Anteilsübertragungen ohne Beteiligung von Wirecard gezahlt wurden.“ Zudem habe Wirecard nur Teile des indischen Unternehmens Hermes übernommen.
Die Financial Times hatte erneut die Frage aufgeworfen, warum Wirecard für die fraglichen Unternehmen insgesamt rund 340 Millionen Euro bezahlt hatte – obwohl diese von den ursprünglichen Eigentümern kurz zuvor für nur rund 37 Millionen Euro an den Mittelsmann Emerging Markets Investment Fund 1A (EMIF1A) mit Sitz auf Mauritius verkauft wurden.
Alles nur wegen dem "Hexensabbat"?
Das Wirecard-Statement endet mit dem Satz: „Wir stellen fest, dass die Veröffentlichung des Artikels durch die Financial Times mit dem morgigen sogenannten „Triple Witching Day“ zusammenfällt, einem von vier Verfallsdaten pro Jahr für Instrumente wie Optionen, Futures und von Aktien.“
Was Wirecard meint, aber nicht explizit ausspricht: Der neue Negativ-Artikel könnte ein Versuch gewesen sein, den Kurs kurz vor dem heutigen Verfallstag an den Terminbörsen noch einmal in die gewünschte Richtung zu bewegen – nämlich nach unten. Das Unternehmen wirft der britischen Zeitung seit Längerem eine Zusammenarbeit mit Leerverkäufern vor, die Beweislage ist bislang allerdings dünn (DER AKTIONÄR berichtete).
Sollten tatsächlich weitere Kursverluste das Ziel gewesen sein, ist dieser Plan nur teilweise aufgegangen: Zwar hat die Wirecard-Aktie am Donnerstag in der Spitze über zwei Prozent an Wert verloren, frühere Negativ-Schlagzeilen hatten jedoch deutlich heftigere Kursreaktionen hervorgerufen. Am Freitagmorgen notiert sie nahezu unverändert, aber in Schlagdistanz zur wichtigen 100-Euro-Marke.
Bei Wirecard ist weiterhin mit erhöhter Volatilität zu rechnen – auch über den heutigen Verfallstermin hinaus. Eine Comeback-Wette kommt daher nur für spekulative Anleger in Frage.
Hinweis nach §34 WPHG zur Begründung möglicher Interessenkonflikte: Aktien oder Derivate, die in diesem Artikel besprochen / genannt werden, befinden sich im "Real-Depot" von DER AKTIONÄR.